Nun wackeln die Großen
Frankreich, Italien und Spanien bekommen ihre Haushaltsprobleme nicht in den Griff. Wenn die Zinsen steigen, werden sie kaum noch lösbar sein.
In der Eurozone wird es (wieder) ungemütlich. Die EU-Kommission schickte an die nach Deutschland drei gewichtigsten Länder im Euroraum – Frankreich, Italien und Spanien – Blaue Briefe. Die Prüfung der Haushaltskonsolidierung und der Reformfortschritte ergab aus Brüsseler Sicht die Note Mangelhaft. Im Klartext: Alle drei hätten größte Schwierigkeiten, eine Finanzkrise 2.0 aus eigener Kraft zu überstehen. Besonders gravierend verschlechtert sich die Lage in Spanien. Das Haushaltsdefizit wird 2016 statt der versprochenen 3% in diesem Jahr auf bis zu 4,3% vom BIP klettern. Das Land ohne handlungsfähige Regierung muss mit 3% vom BIP für Zinsen doppelt so viel aufwenden wie Deutschland (1,4%). Frankreich steckt in der Vorwahlstagnation. Die kleinen Reformen am Arbeitsmarkt greifen bisher nicht. Große Vorhaben wie die Abschaffung der 35-Stunden-Woche und Lockerungen beim Kündigungsschutz sind gegen massiven Widerstand der Gewerkschaften nicht durchzusetzen. Das Maastricht-Ziel von 3% Defizit am BIP wackelt erneut. Und die Zinslast ist nur deshalb zu ertragen, weil die Zinsen auch für Frankreich derzeit extrem niedrig sind. Die Zinsquote am BIP beträgt 2,1%. Sie ist also um die Hälfte höher als die Quote Deutschlands. Zudem sind die französischen Banken stark im Nachbarland Italien engagiert. Doch das Bankensystem auf der Apenninhalbinsel bereitet Sorgen. Die EZB verlangt von einigen Instituten täglich den Liquiditätsstand. Die faulen Kredite in den Bankbüchern machen Schätzungen zufolge nach wie vor 20% des Portfolios oder 360 Mrd. Euro aus. Deutsche Banken vergeben Kredite an italienische Adressen nur noch gegen Stellung zusätzlicher Sicherheiten, heißt es in Frankfurt. Der italienische Staat ist hilflos. Das Haushaltsdefizit wird zwar die 3% nur streifen. Aber eine Zinslast von 4,1% am BIP – so hoch wie die Griechenlands – engt die Bewegungsfähigkeit stark ein. Die Reformen der Regierung von Matteo Renzi wirken nicht oder zumindest nicht rasch genug. Vor allem das Target-System der EZB scheint etliche Länder der Eurozone noch liquide zu halten. Hier geben Staaten anderen unfreiwillig Kredit. Die Bewegungen deuteten auf „neuerliche Liquiditäts- und Kapitalfluchtbewegungen (aus den Peripheriestaaten) hin“, meint Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums im Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW).
Fazit: In der Eurozone bahnt sich eine Krise an, die Griechenland in den Schatten stellen wird. Die Staaten werden ihre Schulden weiter erhöhen müssen. Das wird auf eine reformmüde und an der Lösungsfähigkeit der Politik zweifelnde Bevölkerung treffen.