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Innovation versus Menschenrechte

Ringen um das Lieferkettengesetz

Ringen um das Lieferkettengesetz. Copyright: Picture Alliance
In der Politik zählt der Kompromiss. Doch nicht immer ist ein Kompromiss ein Ausweg. Denn manchmal ist er nicht nur faul, sondern oberfaul. Dann sollte man sich besser konsequent entscheiden. Mit allem Für und Wider. Und zu seiner Verantwortung stehen. Beim Lieferkettengesetz (Sorgfaltspflichtengesetz) steht diese Entscheidung an.

Vor der Bundestagswahl steht für die Bundesregierung noch einmal erhebliches Konfliktpotenzial an. Vor Ende der Legislaturperiode soll das Lieferkettengesetz, inzwischen umgetauft in „Sorgfaltspflichtengesetz“, verabschiedet werden. Doch es wird mit einer weiteren ebenso wichtigen Zielsetzung der Regierung kollidieren: dem verstärkten Einsatz von E-Mobilität.

Im Kern geht es beim Sorgfaltspflichtengesetz um etwas sehr Schönes. „Mehr Fairness in globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten“, schreibt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Pflastersteine aus Indien sollen nicht von Kinderhand gesammelt, Kaffee aus Brasilien nicht zu Hungerlöhnen gepflückt und verarbeitet werden. 73 Mio. Jungen und Mädchen seien weltweit von „ausbeuterischer Kinderarbeit“ betroffen, weiß das BMZ.

Pflichten für Unternehmen, die Lieferkette zu kontrollieren

Das Sorgfaltspflichtengesetz soll für die Einhaltung mehrerer Anforderungen sorgen. Es soll definieren, welche Pflichten Unternehmen beim Schutz von Menschenrechten haben und wie Unternehmen diesen in ihren Lieferketten nachkommen können. Es soll Unternehmen dazu verpflichten, über ihre Anstrengungen Bericht zu erstatten. Und es soll die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern vor Gericht stärken und einen Weg eröffnen, Schadensersatzansprüche in Deutschland geltend zu machen.

Dazu müssen Unternehmen darüber berichten, wie sie Risiken in der Lieferkette analysieren, Präventionsmaßnahmen in der Geschäftspolitik verankern, Abhilfemaßnahmen ergreifen und einen Beschwerdemechanismus etablieren. Verstöße sollen mit Bußgeldern geahndet werden. Betroffen wären Unternehmen ab 500 Mitarbeitern.

Regelung im Koalitionsvertrag vereinbart

CDU, CSU und SPD hatten bereits im Koalitionsvertrag eine gesetzliche Regelung vereinbart. Sie sollte auf den Weg gebracht werden, wenn die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht. Im Nationalen Monitoring der Vereinten Nationen (UN) hätten in einer Stichprobe nur etwa 400 von über 3.000 angeschriebenen Unternehmen den Fragebogen ausgefüllt. Nicht einmal jedes fünfte dieser Unternehmen habe die Anforderungen erfüllt, heißt es beim BMZ.

Zwar wird parallel auch an einer EU-Verordnung und Regeln auf UN-Ebene gearbeitet. Dennoch müssen deutsche Firmen Wettbewerbsnachteile befürchten. Die Schweiz hat gerade ein entsprechendes Gesetz in einer Volksabstimmung scheitern lassen.

Interessenkollision

Heikel ist, dass das Gesetz mit der Entwicklung der CO2-mindernden Zukunftstechnologien kollidiert. 20 der 22 Rohstoffe des Rohstoff-Risiko-Index des Verbands der Bayerischen Wirtschaft vbw erhalten bezüglich ihrer Verfügbarkeit auch ohne Sorgfaltspflichtengesetz bereits eine kritische Bewertung. Zudem sei die Länderkonzentration der Förderung bei 18 der 22 Rohstoffe der roten Gruppe mit mehr als 75% der Förderung in höchstens drei Ländern sehr hoch, heißt es in einer gerade erschienen Studie des vbw erstellt vom IW Köln.

Das betrifft insbesondere den sensiblen Bereich der Elektromobilität. Und in der Folge die ohnehin im Umbruch befindliche Autoindustrie als ein Kernstück der deutschen Wirtschaft. Kobalt – zentraler Rohstoff bei der Batterieherstellung – ist mit einem Risikowert von 21,6 Punkten der Rohstoff mit dem höchsten Risikowert.

Batteriefertigung kaum noch möglich

Da denkt man doch gleich an ein Lieblingsprojekt von Wirtschaftsminister Peter Altmaier, eine Batteriefertigung großen Stils am liebsten in Deutschland hochzuziehen. Speziell für die Batterien kommen zahlreiche wichtige Rohstoffe aus Ländern, in denen die Wunsch-Standards keinesfalls eingehalten werden und eine Überprüfung schwierig ist.

Die betroffenen Rohstoffe können nur zu einem Teil aus Rohstoffrecycling gewonnen werden. Sie zu ersetzen, sei „mit einem hohen zusätzlichen Aufwand für F&E verbunden“. Für Lithium ist ein Ersatzrohstoff nicht mal in Sicht.

Chinas Nachfragehunger und Zugriff auf sensible Rohstoffe

Hinzu kommt: Der Nachfragehunger Chinas und sein Zugriff insbesondere auf afrikanische Lagerstätten ohne entsprechende Standards, wie sie für die deutschen Unternehmen gelten sollen, verschärfen die Situation. Sie ist aufgrund steigender Preise für Industrierohstoffe ohnehin angespannt. „Zudem ist in vielen rohstoffproduzieren Ländern die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards staatlicherseits nicht vollständig gewährleistet“, heißt es zurückhaltend im vbw-Bericht.

BMWi sieht das Problem 

Dem Bundeswirtschaftsministerium ist das Problem bewusst: „Ohne Hightech-Rohstoffe wird es keine entsprechenden Zukunftstechnologien „Made in Germany“ geben“, ist sich Wirtschaftsminister Altmaier sicher. Die Verfügbarkeit von mineralischen Rohstoffen werde „zu einer zentralen Herausforderung für das Industrieland Deutschland“, heißt es.

Das Thema wird beim BMWi behandelt wie ein rohes Ei. Nur nichts vorzeitig zerdeppern. Zumal mit BMWi und BMZ zwei CDU-geführte Ministerien in Konflikt stehen. Es komme aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums darauf an, „dass mögliche Regelungen angemessen und in der Praxis auch durchführbar sind und sich Unternehmen nicht aus bestimmten Ländern zurückziehen, weil sie Pflichten vor Ort nicht umsetzen können“, heißt es auf Anfrage von FUCHSBRIEFE. Und legt mit einem pikanten Satz nach:  „Wir dürfen dabei insbesondere nicht vergessen, dass wir uns angesichts der Corona-Krise aktuell in einer Rezession befinden, und zwar mit Einbrüchen, die die größten in der Geschichte der Bundesrepublik darstellen und viele Unternehmen deutlich belasten.“

Fazit: Wir können uns vorstellen, dass die Bundesregierung die Verabschiedung des Gesetzes in die nächste Legislaturperiode verschiebt. Corona wäre Grund genug. Und auf eine europäische Lösung wartet, um ein „gemeinsames Spielfeld“ zu schaffen.

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