Aktienmärkte schlucken Beruhigungspille
Die US-Notenbank beginnt mit dem Entzug des Aufputschmittels Liquidität, doch die abhängigen Aktienmärkte schlucken nur die Beruhigungspille. Fed-Chef Jerome Powell hat erklärt, dass die US-Notenbank ihren Liquiditätsentzug regelmäßig überprüfen wird. Die Märkte lesen daraus ab, dass die Rückführung des Anleihekaufprogramms auch wieder gestoppt oder die Reduktion selbst reduziert werden könnte. Das war der Treibstoff für den prompten Sprung der Aktienkurse nach der Fed-Ankündigung.
Wir bewerten die anderen Aussagen des Fed-Präsidenten höher und sehe weiter wachsende Risiken für die Aktienmärkte. Denn auch wenn es von Beobachtern in den ersten Kommentaren heißt, dass die Fed "erwartungsgemäß" den Exit beginnt. Die Reduktion des Kaufvolumens ist höher, als vielfach angenommen. Wir waren mit unserer eigenen Schätzung einer Reduktion um 30 Mrd. Dollar je Quartal schon vielen Experten "zu forsch".
Fed strafft ziemlich zügig
Faktisch reduziert die Fed die Käufe viel stärker als von fast allen erwartet. Jeden Monat will sie die Käufe um 15 Mrd. Dollar abschmelzen, im Quartal also um 45 Mrd. Dollar. Statt des von uns erwarteten Zeitraumes von 12 Monaten bis die Fed keine Anleihen mehr zukauft ist jetzt eine Frist von 9 Monaten realistisch. Faktisch dürfte den Märkten also schneller Liquidität entzogen werden als bisher gedacht. Die Anleiherenditen werden sich viel schneller der Inflationsentwicklung anpassen.
Das bedeutet auch, dass die Fed den Zeitpunkt für den Startschuss von Zinserhöhungen auf Sommer 2022 nach vorn zieht. Voraussichtlich wird die Marktentwicklung die Fed zwingen, früher zu agieren und auch stärker als bisher erwartet zu erhöhen. Auch darauf aus Powell für unsere Ohren überdeutlich hingewiesen. Er sprach nicht mehr von einer "vorübergehenden Inflation", sondern nur noch von "vorübergehenden Inflationstreibern" (Lieferketten usw.), wobei "nicht klar" sei, "wie lange diese Treiber wirken." Deutlicher kann ein Fed-Chef nicht sagen, dass er im Nebel stochert und selbst nicht mehr an sein Inflations-Szenario glaubt.
Risiko einer Lohn-Preis-Spirale
Die aktuelle Hartnäckigkeit der hohen Inflationsraten (USA 5,4%) ist schon heute ein Problem für die Fed. Powells Hinweis, dass es aber keinen Inflationsdruck vom Arbeitsmarkt her gebe und dass deswegen "nicht die Zeit für Zinserhöhungen" ist, haben die Börsen positiv interpretiert. Auch das sehen wir anders: Denn der US-Arbeitsmarkt ist schon heute sehr robust. Zuletzt wurden 517.000 neue Stellen geschaffen. Das US-BIP-Wachstum liegt bei 6%. Die Arbeitslosenquote bei 4,8%.
Wenn die US-Konjunktur so anzieht, wie von der Fed erwartet, dann läuft die Notenbank mit Null-Zins in eine Hochkonjunkturphase hinein. Der Inflationsdruck vom Arbeitsmarkt wird dann kräftig anziehen. Die Fed wird gar nicht anders können, als die Leitzinsen dann im nächsten Jahr schnell und kräftig anzuheben. Sehr erfahrene Börsianer denken schon an die Jahre 1979/1980 zurück, als Paul Volcker in einer ähnlichen Situation gezwungen war, die Leitzinsen steil anzuheben um die galoppierende Inflation zu zügeln.
Auch EZB läuft in Inflations-Falle
Die EZB in Europa läuft in die gleiche Inflations-Falle. Auch sie lässt weiter locker. Allerdings ziehen die Notenbanken in Mittel- und Osteuropa ihre Leitzinsen bereits an. Sie haben offenbar ein völlig anderes Inflations-Szenario als die europäischen "Geldhüter". Das wird den Euro gegenüber den osteuropäischen Ländern perspektivisch schwächen (mehr dazu regelmäßig in FUCHS-Devisen).
Fazit: Die Fed hat den Exit begonnen und wird ihn zügig durchziehen. Die Beruhigungspille (Flexibilität) wird bald ihren süßen Geschmack verlieren und als Placebo erkennbar. Dann wird der Markt das Zinserhöhungspotenzial sehen und erschrecken. Gold und Silber bleiben interessant – und Aktien, die mit Inflation weniger Schwierigkeiten haben (z. B. Banken, Telekom- und Versorger-Titel).