Bis zum 31. Juli entscheidet sich die Zukunft und das Schicksal der Welthandelsrunde WTO. Bis zu diesem Datum müssen alle 160 WTO-Mitglieder dem sogenannten Bali-Paket zustimmen. In dem Paket, das bereits im Dezember 2013 von den WTO-Mitgliedern auf Bali ausgehandelt wurde (FB vom 13.12.2013), sind Handelserleichterungen, der allgemeine Abbau von Zöllen und Agrar-Subventionen sowie die Einrichtung einheitlicher Zoll-Abfertigungsstationen vereinbart. Die WTO erhofft sich von dem Abkommen ein zusätzliches Handelsvolumen von rund einer Billion Dollar und die Schaffung von ca. 23 Mio. Arbeitsplätzen weltweit.
Indiens neue Regierung hat jedoch gestern ihre Zustimmung zu dem fertig aufgehandelten Paket definitiv zurückgezogen. Bisher war ein „Ja“ aus Neu-Delhi sicher. Einer einstimmigen Annahme des Deals stand nichts im Wege. Indiens neuer Ministerpräsident Narendra Modi, der seit Mai im Amt ist, drängt nun auf weitreichende Ausnahmeregelungen für sein Land.
Im Kern geht es Modi um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Stein des Anstoßes ist der ausgehandelte Abbau der Agrarsubventionen. In Indien fließen jährlich 12 Mrd. US-Dollar an Subventionen in den Sektor. Mit dem Geld garantiert der Staat seinen Bauern Mindestabnahmepreise, die deutlich über dem Weltmarktpreis liegen (z. B. für Getreide). Zugleich subventioniert Neu-Delhi den Verkauf von Nahrungsmitteln an armutsgefährdete Teile der Bevölkerung zu Preisen deutlich unter dem Marktwert.
Indiens Nahrungsmittel-Subventionen verstoßen aber gegen die vereinbarte WTO-Formel. Demnach dürfen Agrarsubventionen eines Landes nicht mehr als 10% der jährlichen Agrarproduktion ausmachen. Würde das Land dem verhandelten Paket zustimmen, müsste es den eigenen Agrarsubventionsfonds deutlich reduzieren. Zwar war im Bali-Paket eine Übergangsfrist für Indien bis zum Jahr 2017 vereinbart worden. Die Regierung Modi will vor einer Zustimmung nun aber erreichen, dass diese Übergangsregelung unbegrenzt verlängert wird.
Außerdem verlangt Indien nun – stellvertretend auch für andere Entwicklungsländer – eine finanzielle Kompensation für den Abbau von Zöllen. Wenn diese sinken, dürften den Schwellenländern wichtige Einnahmen entgehen, so die Befürchtung. Modi gelang es sogar, Südafrika und Argentinien dazu zu bewegen, diese Forderung offiziell zu unterstützen. Ob die beiden Länder bei der Abstimmung Ende Juli allerdings mit Indien stimmen, ist noch nicht sicher.
Bis Ende Juli wird nun in der WTO eine Lösung gesucht. Sollte es den Handelsministern nicht gelingen, einen Kompromiss mit Indien zu finden, scheitert die einstimmige Annahme des Bali-Pakets. Denkbar wäre dann zwar noch die Annahme mit einer deutlichen Mehrheit oder eine erneute Verschiebung. Dann wäre aber auch die gesamte WTO-Handelsrunde existenzell gefährdet, so die Einschätzung von Beobachtern.
Fazit: Die WTO verhandelt seit Jahren und nun steht der erste wichtige Vertrag, der im Konsens entschieden werden soll, auf der Kippe. Setzt sich die WTO durch, ist Indiens Nahrungssicherheitsprogramm gefährdet. Gewinnt das Land, ist die WTO gescheitert. Sie würde dann vermutlich ihre Rolle als mulitlateraler Mittler zugunsten regionaler Freihandelsabkommen abtreten müssen.