EZB laviert sich in die Stagflation
Die EZB sucht den richtigen geldpolitischen Pfad in der aktuellen Krise. Ihr Problem ist, dass sie extrem politisiert ist und darum der realen Entwicklung hinterher läuft. Das führt zu einem Lavieren in der Geldpolitik, das dauerhaft sehr teuer wird.
Das Protokoll der jüngsten Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt das ganze Dilemma der Euro-Geldpolitik auf. Im Board gab es einige Mitglieder, die statt eines Zinsschrittes um 75 Basispunkte bereits lieber einen Schritt von nur 50 Basispunkten gegangen wären. Sie votierten angesichts der Konjunkturerwartungen für diesen geringeren Schritt. Auf der anderen Seite stehen die Inflationserwartungen.
Die Einschätzungen der EZB binden ihr die Hände. Einerseits geht die Zentralbank jetzt von einem "verschlechterten" Konjunkturausblick und von einer "milden Rezession" in der Eurozone aus. Die Erwartung ist also, dass die Konjunktur trotz der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Folgen der Russland-Sanktionen glimpflich davon kommt. FUCHS-Devisen ist gespannt, als wie politisch eingefärbt sich diese optimistische Annahme herausstellen wird. Entpuppt sich die Konjunktur als "schwächer als erwartet", wird auch die EZB wahrscheinlich bald wieder mit den Zinsen einlenken.
Politisierte Zentralbank ist nicht unabhängig handlungsfähig
Auf der anderen Seite geht die EZB von einer sich "verfestigenden" und in der Breite zunehmenden Inflation aus. Insbesondere machen sich Sorgen breit, dass die explodierten Rohstoffpreise nun Zweitrundeneffekte haben werden, die bis in die Löhne ausstrahlen. Diese Entwicklung spreche dafür, dass die EZB angesichts der "dauerhaft hohen Inflationsperspektive" die Zinsen weiter anheben müsse. Dass ausgerechnet die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel diese Position in einer aktuellen Rede vertreten hat, ist wie ein schlechter Witz. Noch vor wenigen Monaten hat sie "keinerlei Anzeichen" für eine Inflation in der Eurozone gesehen.
Das Protokoll der EZB zeigt, wie stark die Notenbank politisiert ist und der Entwicklung hinterher läuft. Der Blick auf die Konjunktur dürfte "hinter der Kurve" liegen, die Konjunktur dürfte schlechter laufen als von der EZB erwartet. Die Inflation wurde lange massiv unterschätzt, nun schaut die EZB auch hier hinterher. Letztlich traut sich die EZB nicht, eine so klare Position wie die US-Notenbank Fed einzunehmen. Die hatte entschieden, die Inflationsbekämpfung zu priorisieren, auch wenn das zu einer Rezession führen wird.
Fazit: Die politisierte EZB laviert - und das wird auf Dauer richtig teuer. Weder wird so die Inflation angemessen gezügelt, noch das Wirtschaftswachstum gestützt. Die Zentralbank wird so in ein Stagflations-Szenario in der Eurozone hineinschlittern. Die größte Hilfe für die gefesselte EZB wäre die Aufhebung der Russland-Sanktionen, weil der Preisdruck dann zügig nachlassen würde. Der Euro bleibt innerlich angefressen, die aktuelle Stärke ist vorübergehend.