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Wer trägt die Lasten des Zinsanstiegs?

Was der Schuldenanstieg für Industrie- und Schwellenländer bedeutet

Immer mehr Finanzlöcher tun sich weltweit auf, der Schulden- und Zinssog wird stärker. Foto: © fotomek / stock.adobe.com
Was kostet die Welt? Dies scheint seit einigen Jahren und verstärkt seit der Corona-Pandemie und jetzt dem Russland-Ukraine-Krieg das Motto der federführenden Politiker zu sein. Wer will sich noch lumpen lassen, wenn es um die Vorherrschaft des westlichen Wertesystems gegenüber östlichen Autokratien geht? Niemand. Nicht nur die Industriestaaten geben Geld aus, als hätten sie einen Goldesel im Stall stehen, auch Schwellenländer gehen in die Vollen. Das hat zum Teil schwerwiegende Folgen.

Inzwischen liegt die Gesamtverschuldung in den wirtschaftlich wichtigsten Ländern bei 298 Billionen US-Dollar. Das sind 342% ihres zusammengefassten BIP. 255 Billionen US-Dollar oder 320% des BIP waren es vor der Covid-19-Pandemie. Doch das wird Folgen haben. Vor allem auch für jene Staaten, in den denen das Steuersubstrat in den kommenden 20 Jahren aufgrund der Demografie signifikant zurückzugehen dürfte, voran die EU.

Die Welt wird zinsempfindlicher

Das Problem: Je mehr sich die Welt verschuldet, desto empfindlicher reagiert sie auf Zinserhöhungen. Im ersten Quartal 2021 lagen die Leitzinsen in einer Stichprobe von 58 reichen und aufstrebenden Volkswirtschaften, die die Economist Research Einheit durchgeführt hat, bei durchschnittlich 2,6%. Bis zum 4. Quartal 2022 war diese Zahl bereits auf 7,1% gestiegen. Zusammen machen diese Volkswirtschaften mehr als 90% des globalen BIP aus.

Im Jahr 2021 belief sich ihre Zinsrechnung auf 10,4 Billionen US-Dollar oder 12% des kombinierten BIP. 2022 hatte das Volumen an Zinsverpflichtungen bereits satte 13 Billionen US-Dollar oder 14,5% des BIP erreicht. Entwickelt sich der Zinspfad wie von den Märkten angenommen, werden die Zinslasten bis 2027 rund 17% des BIP erreichen. Doch schon ein weiterer zusätzlicher Prozentpunkt ließe das Volumen auf 20% des zusammengefassten BIP ansteigen.

Schonfrist dank langer Laufzeiten

Nun haben die Staaten, aber auch Unternehmen und private Haushalte in der Niedrigzinsphase in der Regel vorgesorgt und auf lange Laufzeiten gesetzt. Der Bund allerdings nicht. Er hat seine Strategie, sein Emissionsportfolio über alle Laufzeiten gleichmäßig zu verteilen, auch in der Phase der extremen Niedrigzinsen beibehalten.

Die Laufzeit der Staatsanleihen liegt in der Regel im Bereich von fünf bis zehn Jahren. Die mittlere Laufzeit der Bundesschulden beträgt 6,83 Jahre. Zinserhöhungen wirken sich bei der Staatsverschuldung somit über einen Zeitraum von fünf Jahren, bei Haushalten und Unternehmen schon über einen Zeitraum von zwei Jahren aus.

Gegenmaßnahme: Wirtschaftstätigkeit einschränken

Zwar können die Schuldner ihre Wirtschaftstätigkeit einschränken und ihre Verpflichtungen runterfahren, um sicherzustellen, dass die Zinszahlungen nicht außer Kontrolle geraten. Doch zeigen Untersuchungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), dass stets nur zu einer teilweisen Kompensation kommt. Es gilt der Erfahrungswert: Höhere Zinsen erhöhen die Zinszahlungen auf Schulden im Verhältnis zum Einkommen.

Kommt es zum Szenario Markterwartung +1%-Punkt, wäre die Welt in den 1980er Jahren angekommen. Damals überstiegen die Zinskosten der USA 20% des BIP. Doch wie immer gilt bei Durchschnittszahlen: Stecken der Kopf im Kühlschrank und die Füße im Backofen ergibt sich damit noch keine Wohlfühltemperatur. Für etliche Staaten stünden vielmehr massive Einschnitte in den Staatshaushalten an.

Die Inflation als Linderungsmittel

Im Moment setzen die Staaten auf die Inflation. Sie führt zu erheblichen Entlastungseffekten, da sie die reale Schuldenlast drückt. Dennoch: Der massive Anstieg der Zinsen überkompensiert den Entlastungseffekt. Die Realzinsen in den USA für 5-jährige Treasuries liegen jetzt bei 1,5%. 2019 lagen sie bei 0,35%.

Gefährdet sind Länder mit hohen Hypothekenverpflichtungen wie etwa die Niederlande, Neuseeland oder Schweden. Doch auch da gibt es Unterschiede. In den Niederlanden sind die Zinsbindungen meist länger, Schweden finanzieren ihr Häuschen gern variabel. Dort machen Hypotheken mit variablem Zinssatz fast zwei Drittel des Bestands aus. Aber es gibt auch Gewinner: Indien punktet aufgrund eines relativ niedrigen Schulden-Einkommens-Verhältnisses von 2,4 und eines geringeren Zinsanstiegs.

Europa vor holpriger Wegstrecke

In Europa wird es unter diesen Vorzeichen erneut kräftig ruckeln. Eine Ausweitung des EU-Eigenkreditportfolios ist eher eine Frage von Monaten als von Jahren. Zugleich werden die Staaten wieder verstärkt Prioritäten in ihren Haushalten setzen müssen. Das fällt den Regierungen aber erkennbar immer schwerer. Italien muss zur zunehmenden Zinslast den Bilanzabbau der EZB verkraften, der jetzt einsetzt. Bislang hat die EZB dadurch bei der Finanzierung insbesondere des römischen Haushaltes geholfen.

Die Ausfallraten bei europäischen Unternehmensanleihen mit spekulativem Rating werden sich weiter erhöhen. Sie haben sich laut Ratingagentur S&P bereits verdoppelt: von unter 1% Anfang 2022 auf über 2% bis Ende 2022. Französische Unternehmen sind besonders verschuldet, mit einem Verhältnis von Schulden zu Bruttobetriebsgewinn von fast neun.

Fazit: In etlichen (Schwellen-)Ländern könnte es zu Zahlungsengpässen kommen, darunter Ghana, Ägypten, aber auch Ungarn. Die regionalen Währungen werden deutliche Verluste sehen. China, das mit lockerer Kreditvergabe weltweit Infrastrukturprojekte finanziert hat, ist bei Entlastungsmaßnahmen für diese Länder gefordert. Zu rechnen ist für Deutschland auf jeden Fall mit höheren Ausfallraten bei Immobilien- und Investitionsfinanzierungen und einer restriktiveren Kreditvergabepolitik der Banken.
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