Konjunktur, Inflation und Defizite bringen Notenbank in Bedrängnis
Die EZB steckt in der Zange. Sie kommt akut von drei Seiten unter Druck und hat sich mit ihrer Krisenpolitik selbst gefesselt.
Im Detail: Europas Konjunktur erfordert absehbar wieder niedrigere Zinsen. Denn sie hat ihren Gipfel überschritten. Reihenweise werden die früheren Wachstumsprog-nosen durch dürftigere ersetzt. Für Europa geht die EU-Kommission von 1,9% statt 2,0% Wachstum aus. Deutschlands Wirtschaft soll um 1,8% wachsen (statt 1,9%). Das strahlt auf 2019 aus. Die Wirtschaftsweisen gehen nur noch von 1,5% Plus im nächsten Jahr aus. Ergo müsste die EZB bald wieder mit geringeren Leitzinsen unterstützen. Das kann sie aber nicht. Die Zinsen sind noch immer auf null.
Rückläufiges Wachstum
Auch die Haushalte verlangen eher sinkende Zinsen. Denn geht das Wachstum zurück, steigen schon in Relation die Länderdefizite. Die nachlassende Konjunktur bedeutet geringere Steuereinnahmen, aber höhere Staatsausgaben. Für etliche Länder ist das problematisch. Italien wird zur Achillesferse. Für Rom rechnen wir nach heutigem Stand der Dinge mit einer Neuverschuldung von klar über 3%. Selbst die EU-Kommission sieht die Neuverschuldung Italiens für 2020 bei 3,1%. Damit wird die Herabstufung in den Bereich der Ramschanleihen immer wahrscheinlicher (FB vom 8.10. und 22.10.).
Neben den Leitzinsen hat hier bisher das unkonventionelle Mittel der Anleihekäufe geholfen. Doch diese Maßnahme werden die Geldhüter im Eurotower zum Jahreswechsel beenden. Dann müssen sich die Länder wieder komplett am freien Markt finanzieren.
Verbraucherindex verlangt höhere Zinsen
Die anziehende Inflation verlangt wiederum Aktion in die entgegengesetzte Richtung. Hier wären höhere Zinsen das Gebot der Stunde. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex liegt seit Monaten über dem Zielwert der EZB (zuletzt 2,2%). Darum fokussieren die Geldhüter auf die Kerninflation (aktuell 1,1%). Das sieht besser aus, hilft dem Verbraucher aber nicht. Der Aufwärtsdruck der Energiepreise wird zudem anhalten. Beschränken die OPEC-Länder die Ölförderung, wie derzeit diskutiert, werden gerade die Energiepreise weiter kräftig steigen.
Fazit:
Die EZB ist mit ihrer Politik weit hinter der Kurve. Ihre Glaubwürdigkeit ist angeschlagen und sie hat fast keinen Handlungsspielraum. Damit steigt automatisch der Druck auf die Politik. Sie muss sich im Abschwung diesmal selbst helfen. Die Ausweitung der Spreads und die Schwäche des Euro zeigen, dass die Märkte das schon ahnen.