Gehen in Tokio wegen Corona die Lichter aus?
In Tokio und seinem wirtschaftlich besonders wichtigen Umfeld könnten binnen kürzester Zeit die Lichter ausgehen. Die Furcht der Regierung vor Covid-19 führt zu ungewöhnlichen Kapriolen der Behörden. Kein Gastanker aus Übersee darf anlegen und seine Gasladung löschen, wenn auch nur ein Besatzungsmitglied Coronavirus-verdächtig ist. Kein Hafen- oder Abnehmerpersonal darf einen Gastanker betreten, der angelegt hat – auch wenn kein Coronavirus-Verdacht besteht.
Bei fehlendem LNG (verflüssigtes Erdgas) gibt es keine sichere Strom-Versorgung mehr. Während die Rohöl-Lager den Bedarf von 200 Tagen decken, gibt es keine größeren LNG-Reserven. Ganz Japan verfügt nur über so viel - oder wenig - LNG, wie das Land in zwei Wochen zur Stromerzeugung braucht. Die Regierung begründet das mit den Schwierigkeiten, das Gas im eigenen Land längerfristig zu lagern. Vor dem 2011 vom Tsunami ausgelösten Reaktorunfall im Kernkraftwerk Fukushima kamen erst 28% der Stromproduktion aus LNG-gefeuerten Gaskraftwerken. Nach der darauf folgenden Stilllegung der meisten Kernkraftwerke stieg diese Quote auf 40%.
LNG-Importe infrage gestellt
Bisher hat der LNG-Import aus dem Nahen Osten und aus Südostasien zuverlässig und gut funktioniert. Das hat Tokio durch die extreme Virus-Angst infrage gestellt. Wenn Gastanker ihre Ladung nicht löschen dürfen, kommt das Land schnell in eine Versorgungskrise. Denn die Tanker aus dem Nahen Osten brauchen im Durchschnitt vier Wochen Fahrzeit bis nach Japan. Selbst bei der Öl- und Gasschwemme an den Weltmärkten ist ein schneller Ersatz durch andere Tanker so gut wie unmöglich.
Derzeit basiert die japanische Stromversorgung zu 40% auf Erdgas. Das gilt gerade auch für den Großraum Tokio. Dies hat die dortigen Stromproduzenten zu Notvorkehrungen veranlasst. In den großen Gaskraftwerken und Stromschaltzentralen im Grossraum von Tokio sind hunderte Ein-Mann-Zelte aufgestellt worden. Dort soll im Notfall - einer direkten Epidemie-Gefahr - das eigene Personal rund um die Uhr am Arbeitsplatz gehalten und untergebracht werden können. Als erster hat der bedeutendste Stromproduzenten in Japan das getan: Jera, das Joint Venture von Tokyo Electric Power und Chubut Electric Power. Jera allein produziert aus LNG rund 30% des japanischen Strombedarfs.
Kritische Situation
Wie kritisch die Situation inzwischen ist, zeigte sich kürzlich, als das Kernkraftwerk Genkai in Südjapan temporär abgeschaltet werden musste. Grund: Ein Mitarbeiter war im Verdacht vom Corona-Virus angesteckt zu sein. Da sich die LNG-Situation kaum schnell nachhaltig verbessern lässt, drängen die japanischen Energieversorger inzwischen auf die rasche Wieder-Inbetriebnahme mehrerer seit Jahren stillliegender Kernkraftwerke.
Fazit: Unser Japan-Korrepondent ist der Ansicht, dass aufgrund der Umstände die Gefahr eines großflächigen Stromausfalls im Großraum Tokio ernst zu nehmen ist.