Genussvoller Ruhestand?
Der Berufsverband der zertifizierten Financial Planner (FPSB) wird in einer aktuellen Meldung konkret: Der bundesdeutsche Durchschnitt kommt mit der gesetzlichen Vorsorge auf knapp 45% des letzten Nettogehalts. Der (wissenschaftlich ermittelte) „Standardrentner“ benötigt aber 55%, um gut durchs Rentnerleben zu kommen. Diese fehlenden Prozentpunkte sind privat zu erwirtschaften.
Doch ab wann ist genug Ruhestandskapital vorhanden? Reichen 300.000 Euro oder sind es sogar 700.00 Euro? Leider gibt es keine Faustformel. Es ist ein komplexes „Projekt“, seinen Ruhestand gut durchzufinanzieren.
Grobe Berechnungen führen in die Irre
Häufig werden – auch von „Beratern“ in Banken und Finanzvertrieben ohne Detailkompetenz – überschlägige Rechnungen gemacht. So werden die Werte aus der Hochrechnung der gesetzlichen Rentenversicherung oder eines Versorgungswerks (z. B. Ärzte) zu Grunde gelegt und die mögliche private Versorgung dazu addiert und anschließend mit den Lebenshaltungskosten abgeglichen.
Ein Praxisbeispiel: Ein 60-Jähriges Medizinerehepaar meint, dass es monatlich mit 6.000 Euro für alle Ausgaben einschließlich Krankenversicherung auskommt. Das Versorgungswerk meldet 5.000 Euro Monatsrente ab dem 66. Lebensjahr. Also fehlen – nach „Adam Riese“ – nur 1.000 Euro im Monat. Mit Blick auf das aktuelle Depot mit 350.000 Euro (= 350 Monate Entnahme) müsste es also für den Komfortruhestand reichen.
- Fehler Nr. 1: Die Inflation wurde vergessen. Zum Rentenbeginn werden nicht 72.000 Euro (6.000 Euro x 12), sondern knapp 80.000 Euro benötigt (bei Inflation von 2 % p. a.). Wichtig: Die im Rentenbescheid genannte Auszahlung ist nominal, also ohne Inflationsausgleich zu verstehen.
Staat will auch sein Geld
- Fehler Nr. 2: Das Problem der Inflation setzt sich im Rentenverlauf fort. Die Steigerungen aus dem Versorgungswerk oder aus einer privaten Rente fallen mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich geringer aus, als für den Erhalt der Kaufkraft benötigt. „Die Länge trägt die Last“ – heißt es im Volksmund. Wenn das Ehepaar 80 Jahre alt wird, werden schon fast 105.000 Euro im Geldbeutel benötigt. Die Kluft wird also immer größer!
- Fehler Nr. 3: Die Steuer wird vergessen. Auf Renteneinkünfte fallen Einkommensteuern an. Der Freibetrag ist schnell überschritten und je nach Art der Versorgung und anderen Einkünften wird die Rente unterschiedlich hoch besteuert.
Zu kurz gedacht
- Fehler Nr. 4: „Ich werde ja sowieso nur 85 Jahre alt!“ Statistisch mag das stimmen. Aber die durchschnittliche Lebenserwartung darf nicht Grundlage für die individuelle Planung sein. Was hilft einem mittellosen 90-Jährigen das Wissen, dass er älter als der Durchschnitt geworden ist? Daher planen Profis bis Endalter 100, um Versorgungslücken zu berechnen.
- Fehler Nr. 5: Es besteht der Glaube, dass die Kapitalanlage im Ruhestand ja auch noch Erträge bringt. Doch das ist bei „sicheren Anlagen“ eine Fehleinschätzung, denn das Zinsniveau ist auf Null. Änderungen sind auch in den nächsten Jahren nicht in Sicht.
20 % Aktien machen Ruhestand teuer
Der Kompromiss lautet häufig: „Ein bisschen Aktien dürfen es schon sein; aber nicht zu viel – ist ja schließlich mein Versorgungskapital“.
- Fehler Nr. 6: Künftige Ruheständler vergessen, dass sie den größten Teil ihrer Erträge erst in 15 oder 20 Jahren benötigen. Daher sind Vermögensstrategien en vogue, die diese fernen Zahlungsströme berücksichtigen und dann auch die passenden Vermögenstrukturen schaffen. Höhere Aktienquoten sind die Logik – und damit höhere Renditen.
Ein Vergleich: Wenn das Ehepaar im Ruhestandsportfolio lediglich 20% Aktien haben will, benötigt es zur Schließung der Deckungslücke per heute knapp 2.000.000 Euro! Grund: Die geringe Renditeerwartung und die lange Laufzeit von insgesamt 40 Jahren ab heute.
Irrationaler Renditeverzicht
Professionell berechnet und mit der passenden Strategie unterlegt, benötigt das Medizinerpaar dagegen nur 1.170.000 Euro, um den Wunsch umzusetzen. Denn es ist wissenschaftlich belegt, dass das Risiko, das Renditeziel z. B. in 20 Jahren nicht zu erreichen, bei hohen Aktienquoten gering ist. Der Fehler ist also, aus irrationaler Vorsicht auf Renditen zu verzichten.
Fazit:(Künftige) Ruheständler sollten sich professionell beraten lassen, um die Versorgungslücke zu ermitteln. Je früher dieser „Lückenschließvorgang“ beginnt, desto weniger Investitionen sind nötig. Die konkrete Vermögensanlage sollte spätestens ab dem Ruhestand einem auf Versorgungskapital spezialisierten Verwalter übertragen werden.