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Die tiefliegenden Probleme Italiens sind noch nicht behoben

Kosmetische Maßnahmen

Die italienische Fahne weht an einem Fahnenmast. Copyright: Pixabay
Der italienische Stiefel war total löcherig. Doch dann kam Mario Draghi. Und sanierte den maroden Staat. So lesen sich manche Zeitungskommentare, die sich voller Bewunderung über die Politik des politischen Technokraten an der Spitze der italienischen Regierung auslassen. Sie täten gut daran, ihren Optimismus etwas zu dämpfen.

Die gefeierte Sanierung Italiens durch den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ist mehr Schein als Sein. Zwar erfreut sich Draghi in Italien höchster Beliebtheit. Und er kommt auch in den deutschsprachigen Medien äußerst gut an. Die Süddeutsche Zeitung fragte jüngst, ob Italien angesichts eines BIP-Wachstums 2021 von voraussichtlich 6,2% nun ein Wirtschaftswunderland sei? Der Premier bringe Bella Italia wieder auf Kurs, indem er teure Wahlgeschenke seiner Vorgängerregierung beseitige. Er hat das auf 62 Jahre heruntergesetzte Renteneintrittsalter wieder auf 67 angehoben und das Bürgergeld (eine Art Grundeinkommen) kräftig reformiert, um den seit der Einführung entstandenen Missbrauch einzudämmen.

Sein energisches Durchgreifen in der Corona-Krise (Grüner Pass, 3G am Arbeitsplatz, schnelles Impfen von Kindern) wird mehrheitlich bejubelt. Und er scheint auch ein guter Dompteur zu sein: Die „Löwen“ (Salvini, Berlusconi, Renzi, Di Maio) im streitfreudigen Rom verhalten sich derzeit erstaunlich sanft.

Weiter munteres Schuldenmachen

Aber die gute Stimmung und das Wachstum sind teuer erkauft. Das Haushaltssaldo für Italien lag 2020 bei -156,86 Mrd. Euro. 2021 soll es nach Schätzungen des IMF bei -181,83 Mrd. Euro liegen, 2022 bei schätzungsweise -87,08 Mrd. Euro. Die italienische Staatsverschuldung soll gemäß der Schätzung im Jahr 2026 erstmals bei über 3 Billionen Euro liegen, 2021 sollen es schätzungsweise 2,7 Billionen Euro sein. Aktuell liegt die Staatsverschuldung bei 155,81% des BIP. Bis 2026 soll dieser Wert zwar bis auf 146% sinken. Vor der Krise im Jahr 2019 lag der Wert allerdings noch bei 134,56%. Summa Summarum: Italien nach wie vor weit von soliden Finanzen entfernt. Und es lebt auf Kosten der Europäischen Gemeinschaft, deren Bonität sich das Land zunutze macht.

Wirtschaftlich werden Draghis Maßnahmen bereits gedeckelt. Denn das starke BIP-Wachstum 2021 ist vor allem Basiseffekten geschuldet. Im Vorjahr war es dramatisch eingebrochen. Eine V-förmige Erholung ist nicht ungewöhnlich nach einem solch scharfen Einbruch. Inzwischen lasten auch die in Deutschland bekannten Probleme auf Italiens Wirtschaft: gestörte Lieferketten, vor allem im wirtschaftlich starken Norditalien Fachkräftemangel, und die Inflation. Die Lebenshaltungskosten sind aktuell 3,2% höher als 2020. 2022 soll laut IMF Schätzungen Italiens BIP noch um 3,6% wachsen, 2023 sind es dann noch 1,56%. Vor allem die für die italienische Exportwirtschaft so wichtige Industrie kommt ins Stottern. Im September erhöhte sie ihre Produktion noch um 0,1% im Vergleich zum Vormonat. Mittlerweile dürfte die Produktion erstmals wieder den Rückwärtsgang einlegen.

Zahlreiche Neueinstellungen ohne echte Prüfung

Auch die von Draghi angestoßene Verwaltungsreform ist vor allem kosmetischer Natur. Die oftmals noch analogen und vielfach korrupt arbeitenden Administrationen insbesondere im Süden Italiens sollten von Grund auf modernisiert werden. Der Chef der italienischen Antikorruptionsbehörde Giuseppe Busia verwies wiederholt auf die Schwächen der Reformschritte. Im Eilverfahren wurden im Süden Italiens etwa 2.800 Stellen in Behörden besetzt. Entgegen des Ziels werde Korruption dadurch nur noch mehr befördert. Denn die Kontrollen und Einstellungsverfahren wurden herabgesetzt, um schnell an frisches Personal zu kommen.

Auch die neuen Vergaberichtlinien für die Verwaltung sind sehr Allgemein gehalten. Es gäbe kaum harte Kriterien, an denen sich die Verwaltung auszurichten habe, meint Busia. Vor allem im strukturschwachen Süditalien würden so (EU-)Gelder versickern. Zudem zeigt sich vor allem dort ein bekanntes Problem der EU: Zwar werden Gelder noch und nöcher zur Verfügung gestellt. Oftmals fehlt es aber an konkreten Plänen oder Projekt-Ideen, wie diese Gelder sinnvoll eingesetzt werden könnten. Das Geld für Berater wiederum ist nicht vorhanden – so werden hohe Summen entweder nicht abgerufen oder versickern in dubiosen Kanälen.

Politisch zersplittert

Schließlich gibt es auch noch ein fortwährendes politisches Risiko. Aktuell kommen drei Parteien in italienischen Umfragen jeweils auf etwa 20%: die sozialdemokratische PD, die rechte Lega Nord und die rechtsextremen Fratelli d’Italia. Zwar stehen die nächsten Parlamentswahlen planmäßig erst 2023 an. Doch dass die derzeitige politische Ruhe anhält, ist so gut wie ausgeschlossen, je näher der Wahltermin rückt. Und nach der Wahl – voraussichtlich ohne klaren Wahlsieger – geht die Lähmung weiter. Solange, bis man sich auf einen parteilosen Kompromiss-Kandidaten geeinigt haben wird.

Fazit: Mario Draghi hat in Rom immerhin das Steuer im Griff. Von einem selbsttragenden Wirtschaftsaufschwung ist Italien aber nach wie vor weit entfernt. Das ist vor allem im Zuge der aufkommenden Debatte um eine Straffung der EZB-Geldpolitik relevant. Italien ist noch nicht bereit – und wird es wohl auch in absehbarer Zeit nicht werden.

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