Rechtsdrall in der Grande Nation
Emmanuel Macron legt ein taktisches Manöver aufs Parkett. Mit einem Schwenk nach rechts soll die Präsidentschaftswahl im April 2022 gewonnen werden. Solange wird der Franzose sein Herzensthema Europa begraben (müssen). Es soll dann in der zweiten Amtszeit Macrons wieder „auferstehen“. So ordnen Kenner der französischen Politik gegenüber FUCHSBRIEFE das Verhalten Macrons ein.
Das gesellschaftliche Klima tendiert nach rechts
Knapp ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen kippt das gesellschaftliche Klima Frankreichs deutlich nach rechts. Es geht um Sicherheit und Identität: Anti-Islam-Kampagnen haben Zulauf, die Beliebtheitswerte für Marine Le Pen sind hoch wie selten zuvor. Und auch die französischen Mainstream-Medien und Sendeanstalten sind mehr den rechten, denn den linken Kräften der Grande Nation wohlgesonnen.
Ritt auf dem Zeitgeist
Macron bedient in diesem Umfeld den Zeitgeist. Er stärkt die Sicherheitskräfte, verabschiedete ein Gesetz gegen „radikale NGO’s und Moscheen“, droht nach einem Militärputsch französische Truppen aus Mali abzuziehen und unterstützt das Gendersprache-Verbot seines Bildungsministers (siehe FB vom 10.05.2021). Auch das Herunterfahren der Corona-Restriktionen steigert seine Popularität. Europa steht nicht auf der Tagesordnung.
Bis zur Wahl sind von Macron keine europapolitischen Impulse mehr zu erwarten. Wer in Frankreich politisch gegen den Strich bürstet, dessen Stuhl wackelt. Das weiß Macron spätestens seit den Gelbwesten-Protesten. Der Zeitgeist könnte nach der Wahl aber bereits wieder ein ganz anderer sein. Denn die Drohkulisse „Präsidentin Le Pen“ soll im Wahlkampf das Stimmungsbild zugunsten des Amtsinhabers drehen. Und damit auch bis April pro-europäischen Diskursen wieder Auftrieb verleihen.
Heimatlose Wähler in der linken Mitte
Dafür spricht auch die Prognose, dass die pro-europäischen Grünen eine stärkere Rolle als bei den vorherigen Wahlkämpfen spielen werden. Dass die französischen Grünen Wählergruppen an sich binden können, haben sie bei den Kommunalwalen im Juni 2020 gezeigt. Sie sind die einzige Partei, die für Wähler aus dem bürgerlichen Mitte-Links-Lager wählbar sind – abgesehen von ihnen sind die französischen Linken heimatlos. Denn das „Boot“ der französischen Sozialisten leckt mehr als die deutsche SPD. Auch die Linksaußen-Partei um Jean-Luc Mélenchon ist wegen ihrer eurokritischen Positionen für die linke Mitte nur schwer zumutbar.
Fazit: Es spricht viel für einen Wahlsieg Macrons. Ob es nach der Frankreich-Wahl zu neuen Pro-Europa-Impulsen kommt, wird auch von der Bundestagswahl im September abhängen. Ein Wahlerfolg der Grünen in beiden Ländern dürfte den Prozess befördern.