Wirrwarr bei Zuschlägen für Nachtarbeit aufgelöst
Ungleiche Zulagen für Schichtarbeit in der Nacht widersprechen dem Gleichheitsgrundsatz. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte über einen Tarifvertrag der Getränkeindustrie, angewandt bei der Carlsberg-Brauerei in Norddeutschland, zu entscheiden.
Danach erhielten Beschäftigte, die regelmäßig in der Nacht (von 22 bis 6 Uhr) arbeiten, einen Zuschlag von 25%. Die unregelmäßig in der Nacht tätigen Kollegen bekommen dagegen einen Aufschlag von 50%. Und dies obwohl die Nachtschichtler vergleichbare Arbeiten machten.
Tarifverträge kritisiert
Eine ungleiche Bezahlung sei deshalb nicht gerechtfertigt, so das BAG. Insbesondere seien Tarifverträge zu beanstanden, in denen Nachtzuschläge so unterschiedlich ausfallen. Soweit so überraschend: Das BAG richtet sich mit seiner Entscheidung gegen eine Reihe von LAG und gegen viele Tarifverträge, die das komplett anders sehen. Sie seien nicht zuletzt Ausdruck der Gestaltungsfreiheit der Tarifparteien, argumentieren Arbeitgeber und Gewerkschaften.
Dass der 10. Senat des BAG von seiner Entscheidung selber nicht so wirklich überzeugt ist, zeigt sich daran, dass er am selben Tag den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen hat. Der EuGH soll mit Blick auf die europäische Arbeitszeitrichtlinie und Art. 20 der europäischen Charta für Grundrechte die rechtliche Legitimität einer unterschiedlichen Bezahlung klären.
Weg nach Karlsruhe
Bleibt die Frage, was das BAG mit der Antwort aus Luxemburg anstellt? Sein eigenes Urteil revidieren – wohl kaum. Rechtsexperten prophezeien, dass die Tarifparteien den Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wählen. Die im Grundgesetzes garantierte Tarifautonomie sei sträflich missachtet und deshalb das Tor nach Karlsruhe weit geöffnet.
Fazit: Mit seiner Entscheidung hat das BAG zwar das Wirrwarr bei den Zuschlägen für Nachtarbeit durch eine höchstrichterliche Entscheidung vorerst beendet; aber gleichzeitig hat es seine eigenen, verbliebenen Zweifel an die europäische Gerichtsbarkeit weitergereicht.
Urteile: BAG vom 9.12.2020, Az.: 10 AZR 334/20 und 10 AZR 332/20 (A)