Die Glaubwürdigkeit der EZB erodiert
Jetzt beginnen die Märkte zu wetten, wer hartnäckiger ist: die Inflation oder EZB-Chefin Christine Lagarde. Beide halten erst mal an ihrem Kurs fest. Die Fakten sind auf seiten der Inflation. Die deutsche Preissteigerungsrate ist erneut nach oben gegangen. Sie beträgt für den Oktober 4,5%. Wir erinnern: September 4,1%, August 3,9%, Juli 3,8%. Die für die EZB maßgebliche Preissteigerungsrate im Euroraum beträgt 3,4%. Das sei, so die ausgebildete Juristin Lagarde, „ein temporäres Phänomen“. „Mittelfristig“ (wir interpretieren das als 3-Monats-Sicht) werde sie wieder unter das 2%-Ziel der EZB fallen.
Die Glaubwürdigkeit der EZB steht damit auf der Probe, wenn nicht auf der Kippe. Selbst Lagarde wies gestern darauf hin, dass die aktuellen Zinserwartungen des Marktes nicht im Einklang mit der Forward Guidance der EZB stehen würden. Der Markt geht nämlich von einer Zinsanpassung nach oben bereits Ende nächsten Jahres aus. Die EZB möchte dies erst Ende 2024.
"Nicht mit Ruhm bekleckert"
Bezeichnend der Kommentar der Commerzbank-Volkswirte: „Der Markt glaubt schlicht und ergreifend nicht an den sich deutlich abschwächenden Inflationstrend, welchen die EZB prognostiziert. Und zugegeben: Nicht nur die EZB, auch zahlreiche andere Notenbanken haben sich seit der letzten großen Krise, was ihre Inflationsschätzungen anbelangt, nicht gerade mit Ruhm bekleckert.“ Wir erinnern an Positionen wie die der BW-Bank (LBBW), das Ende letzten Jahres für das Gesamtjahr 2021 eine durchschnittliche Inflationsrate von 1% vorhergesagt hatte. Und damit stand sie überhaupt nicht allein da.
Fazit: Die Glaubwürdgkeit der EZB steht spätestens seit gestern auf dem Spiel. Und sie wird mit jedem Monat weiter erodieren, in dem sich die Inflation so hartnäckig zeigt wie bisher.