Einen Schritt in Richtung Exit
Polen und und vor allem Ungarn müssen mit definitiven Kürzungen ihrer EU-Zuweisungen rechnen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies die Klagen der beiden Länder gegen den EU-Rechtsstaatsmechanismus ab. Der Knackpunkt: Sanktionen auf Basis der Rechtsstaatsmechanismus können mit qualifizierter Mehrheit (mindestens 15 Länder mit mindestens 65% der Bevölkerung) verhängt werden.
Bislang gab es nur das sogenannte Artikel-7-Verfahren zur Ahndung besonders schwerwiegender Rechtsstaatsverstöße. Das kann allein durch ein fast einstimmiges Votum der Regierungen im EU-Rat angestoßen werden. Das hat sich jedoch als völlig unpraktikabel erwiesen. Denn Polen und Ungarn waren in der Lage, sich gegenseitig Deckung zu geben. Diese Blockade ist nun gefallen, sofern ein wichtiges Kriterium erfüllt wird: Der Mechanismus greift nur, wenn die korrekte Mittelverwendung in Frage steht. Ziel der Regelung sei es, das EU-Budget vor Schaden durch mangelnde Rechtsstaatlichkeit zu schützen, nicht aber derartige Verstöße als solche zu ahnden, hoben die Richter hervor.
Der Streit kostet schon jetzt Wachstum
Unmittelbare Konsequenz dürfte sein, dass die bislang schon von der EU-Kommission zurück gehaltenen Mittel für Polen und Ungarn aus dem Corona-Programm der EU weiter eingefroren bleiben. Bereits jetzt gibt es Berichte über stockende Infrastruktur-Projekte in Polen. Unter dem Strich dürfte es (vorläufig wohl überschaubare) Abschläge bei den Wachstumsraten geben, weil der jeweilige Staat weniger Nachfrage entwickelt.
Vor allem Ungarn ist verwundbar
Die Ausrichtung des Mechanismus auf Fragen der Mittelverwendung dürfte vor allem Ungarn treffen. In der aktuellen Korruptionsrangliste von Transparency International steht Ungarn auf Rang 73 gemeinsam etwa mit dem Senegal und Ghana, hinter Tunesien, Jamaika oder Südafrika. Fast noch gefährlicher für Budapest: In den vergangenen10 Jahren, in denen allein Viktor Orban regierte, hat Ungarn eine der stärksten Verschlechterungen der Verhältnisse im globalen Vergleich erlebt. Wer in Ungarn Anlässe für die Anwendung des Mechanismus sucht, wird sie in reicher Auswahl finden.
In Polen weckt die massive Beeinflussung der Gerichte in Krakau im Zusammenhang mit einem simplen Verkehrsunfall erhebliches Misstrauen. Offenbar soll die Entourage der ex-Regierungschefin und PiS-Politikerin Beata Szydlo vor Strafverfolgung geschützt werden. So sieht der Einstieg in die allgemeine Korruption aus, gestützt auf die von der EU monierten Disziplinierungsinstrumente gegen eine unabhängige Justiz. Die Ungarn sind den Polen nur voraus in der negativen Entwicklung, nicht auf einem anderen Weg.
Das britische Vorbild
Die derzeit in Warschau und Budapest verfolgte Linie, ein von Brüssel finanziertes Bleiben mit dem Festhalten an der nationalen Souveränität zu verbinden, ist eine lediglich leicht abgewandelte Variante des „have the cake and eat it“ a la Boris Johnson. Ergebnis bekannt. Darüber kann auch die von der PiS (namentlich Präsident Duda) so gern genutzte Diffamierung der EU als "Besatzungmacht" nicht hinweg täuschen.
Die Polen wissen doch, dass anders als beim Austritt aus dem Warschauer Pakt für den EU-Austritt ein Brief nach Brüssel reicht, um „frei“ zu sein. Ob der Austritt Polens oder Ungarns geschieht oder vermieden wird, ist für den Devisenmarkt vorerst belanglos. Bewertet wird derzeit das Risiko, und zwar mit einer Risikoprämie (Abschlag), die Forint und Zloty dauerhaft belastet. Der über Jahre stabile Abwärtstrend vor allem des Zloty zur tschechischen Krone hat hier eine wichtige Basis.
Fazit: Das Austritts-Risiko vor allem Ungarns ist gewachsen. Längerfristige Engagements in Zloty und Forint sollten vermieden werden. Tschechien und seine Krone bieten interessantere Alternativen. Mehr dazu nächste Woche.
Empfehlung: Die Staatsanleihe mit Laufzeit Mai 2024 auf Kronenbasis (CZ 000 100 254 7) bietet aktuell 3,63% Rendite und könnte sich als Beimischung im Rentendepot bewähren.