Der nächste Existenzkampf der FDP
Für die FDP geht es erneut um die Existenz, noch mehr als für die Linke. Die großen Verlierer der vier Landtagswahlen in diesem Jahr, die Liberalen, haben ein gewaltiges Strukturproblem. Ihnen fehlt ein politischer Anker. Keine andere Partei steht diesbezüglich so schlecht da.
- Die Liberalen haben die „falschen Wähler“: Ihr Schwerpunkt liegt bei sehr jungen Selbständigen mit hoher Bildung – den Startup-Gründern. Die sind politisch heiß umworben, aber zahlenmäßig unbedeutend. Zudem steht die FDP bei ihrer Kernklientel in einem harten Wettbewerb mit CDU und Grünen.
- Die Partei hat in der Fläche zu wenige geeignete Kandidaten. Außer Christian Lindner im Bund hat nur noch Bernd Buchholz in Schleswig-Holstein gepunktet. Und der gesellschaftliche Trend in Krisenzeiten hin zu mehr Staat und weniger Selbstverantwortung ist auch eindeutig. Dagegen anzukommen, ist mehr als eine Herkulesaufgabe.
- Zudem: Während die Linke noch als Ostpartei überleben kann, haben die Freien Demokraten keinen regionalen Anker.
- Als Mehrheitsbeschaffer sind sie im Gegensatz zu den Grünen eine meist zu vernachlässigende Größe.
Nur breitenwirksames Thema bleibt: die Inflation
Im Grunde haben die Liberalen nur ein Thema, das sie breitenwirksam spielen können: die Inflation. Sie besorgt alle gesellschaftlichen Schichten. Anders als die Staatsverschuldung steht sie nicht in unmittelbarem Gegensatz zu Staatshilfen – die sich in Krisenzeiten wachsender Beliebtheit beim Publikum erfreuen, Unternehmer inbegriffen. Nur müsste die FDP hier gegen die EZB stänkern. Das aber ist innerparteilich nur schwer zu vermitteln.
Die Grünen holen wie die FDP das junge Publikum ab. Aber sie sind in der zahlenmäßig sehr viel bedeutenderen Schicht der Angestellten und Staatsbediensteten (ein „Wachstumsmarkt“) sehr präsent. Und sie sind eine Staatspartei. Mit liberalem Gedankengut haben sie wenig am Hut. Sie haben in der Fläche zwar ebenfalls nicht nur Spitzenpersonal am Start. Aber ihre Vertreter im Bund, Habeck und Baerbock, werden von vielen – anders als Lindner – als Sympathieträger empfunden. Mit der Klimakrise haben sie zudem ein Megathema, bei dem sie auf der Mehrheitswelle reiten. Im Trend müssen sie sich wenig Sorgen machen.
Die AfD ist die neue Arbeiterpartei
Die AfD hat sich in gewissem Rahmen als neue Arbeiterpartei etabliert. Der Geringverdiener tendiert zu den Rechtsaußen. Dahin zielt im Übrigen auch die Anhebung des Mindestlohns durch Olaf Scholz. Außerdem holt die AfD die unzufriedenen Selbständigen ab, die unter Dauerkrise und Dauerbenachteiligung leiden – Angestellte und Arbeiter des Gaststättengewerbes etwa, denen immer noch Corona in den Knochen steckt.
Die Union ist noch am ehesten die Partei der Mitte. Aber mit ihrem auch unter Friedrich Merz gepflegten Kurs, die Nähe zu den Grünen zu suchen, hat sie sich womöglich verrannt. Denn die gehen, wenn möglich, immer noch lieber mit der SPD. Sozialdemokraten wie Grünen ist ein fetter („handlungsfähiger“) Staat ebenso wichtig, wie die Staatsfinanzen für sie zweitrangig sind. Und bei den Wählerschichten kommen sie sich nicht in die Quere, während Union und Grüne um die gebildeten und besserverdienenden Schichten konkurrieren. Die FDP hält die CDU mit ihrem Kurs pro Grün klein.
Die SPD hat Wachstumspotenzial – bei den Rentnern
Die SPD ist inzwischen die Rentnerpartei par excellence – und hat zumindest von daher ein bis zwei Wachstumsjahrzehnte vor sich. Einziger Konkurrent auf diesem Gebiet: die CDU. Insbesondere die Sozialdemokraten werden weiter kräftig in die Staatskasse greifen, um ihr Klientel zu beglücken. Ein Klientel, das vor allem eines scheut: Veränderungen.