EZB muss in die Abschwächung hinein straffen
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss ihre Zinswende voll in die wirtschaftliche Abschwächung hinein umsetzen. Sie wird – wenn auch viel zu langsam – die Leitzinsen weiter anheben. Geldpolitik und Wirtschaft laufen nun zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt in unterschiedliche Richtungen.
OECD und Weltbank malen gerade für Europa eine konjunkturelle Perspektive in düsteren Farben. Im Januar dieses Jahres hatte die Weltbank ein Plus von 4,1% für die Weltwirtschaft erwartet. Das hat sie in Folge des Krieges jetzt auf 2,9% gesenkt. Die OECD taxt ähnlich auf 3,0% in diesem und dem kommenden Jahr. Euro-Europa muss sich mit einem Wachstumsrückgang von 4,62% (Dezember-Projektion) auf jetzt 2,62% zurechtfinden. Im September erwarten wir einen Schritt von 50 Basispunkten. Aber auch das wird die Inflation noch nicht bremsen.
Zu viel Rücksicht auf die Politik
Die EZB hat viel zu lange Rücksicht auf die Haushalte wichtiger Mitgliedsländer genommen. Darum hat sie die inflationären (absehbaren) Tatsachen fast schon geleugnet. Sie hat aus politischen, nicht aus geldpolitischen Gründen, gehandelt. Damit wird sie ihrem auf Stabilität gerichteten Mandat nicht gerecht. Eine EZB-Chefin wie Christine Lagarde allerdings ficht das nicht an. Sie ist für acht Jahre inthronisiert und kann zusammen mit ihren von den Länderregierungen ausgewählten Kompagnons im Direktorium die Geschicke von Europas Geld und damit auch Wohlstand und Wohlstandsumverteilung weiterbestimmen, bis ihre Amtszeit Ende 2027 ausläuft.
Das hat Folgen für den Wohlstand, die bei einem beherzteren und weniger von politischem Kalkül getragenen Eingreifen vermeidbar gewesen wären. Aber Europas Geldpolitik ist endgültig in die Fänge von Politikern geraten, die das „Mindset“ der EZB umgekrempelt haben. Die Folgen spürt nicht nur der Euro, dessen Schwäche die Inflation deutlich verstärkt. Die EZB hat mit ihrer Politik auch für Umverteilung zwischen den Ländern und innerhalb der sozialen Schichten der Länder gesorgt.