Die Mär vom vorzeitigen Kanzlerwechsel
Der kolportierte Kanzlerwechsel nach der Europawahl ist ein reines Medienereignis. Zwar ist Angela Merkel (CDU) inzwischen außen- wie innenpolitisch eine „lahme Ente". Somit läge ein Führungswechsel nahe. Aber das ist ein politisch und verfassungsrechtlich schwieriges Unterfangen. Noch wird sowohl in der Spitze der Union wie bei der SPD nüchtern gerechnet. Und keine Rechnung geht positiv aus.
Allen ist klar: Das „Ding" kann für alle Beteiligten im Grunde nur schiefgehen. Wollte Kanzlerin Merkel die Kommandobrücke verlassen, um für die designierte Nachfolgerin und Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer den Platz zu räumen, müsste diese nach einem ohnehin verfassungsmäßig schwierigen Verfahren von allen drei Koalitionspartnern ins Amt gewählt werden.
Von der SPD ist keine Meuterei zu erwarten
Die SPD hat bereits gesagt, dass sie das nicht mitmachen wird. Dem ist Glauben zu schenken, weiß man bei der Union. Und auf eine neue Koalitionsbildung mit FDP und Grünen hofft man in der Union auch nicht, denn:
Die Grünen sind vor allem an Neuwahlen interessiert. Sie sind die einzige Partei, die derzeit in Umfragen weitaus besser dasteht als bei der Bundestagswahl 2017. In einer Viererkoalition mit CDU/CSU und FDP wären sie aber nur gleichgewichtig mit den Liberalen.
Die Sozialdemokraten stehen ohnehin vor der Situation, zur Halbzeit eine „Revision" durchführen zu müssen. Der sozialdemokratische Gernegroß und Jusochef Kevin Kühnert hatte das beinahe im Alleingang durchgesetzt. Glück für die Parteispitze um Andrea Nahles und Olaf Scholz, dass sich Kühnert mit seinem idiotischen Vorstoß, Enteignungen durchführen zu wollen und die kapitalistische Ordnung infrage zu stellen, selbst innerparteilich stark geschwächt hat. Der ebenso als Nervensäge bekannte stellvertretende Vorsitzende Ralph Stegner unterstützt ihn zwar. Aber die übergroße Mehrheit der SPD lehnt Kühnerts Thesen weitgehend ab.
Der Blick richtet sich auf die Landtagswahlen
Vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen am 1. September wird die SPD ohnehin keine Diskussion über einen Koalitionsbruch im Bund führen. Sollte die SPD in den Ländern wiederum kräftig verlieren, wären Neuwahlen im Bund erst recht politisches Harakiri. Die Union treibt zudem um, dass der „Spendenskandal" der AfD bisher wenig Einfluss auf das Wählerverhalten in Wahlumfragen hat. Medial ist er reichlich bedient worden. Auch das starke Abschneiden der ultrarechten Vox in Spanien deutet auf einen Trend, der „unnötige" Neuwahlen nicht angezeigt sein lässt.
Es gibt somit nur eine Option für einen verabredeten Koalitions- und Kanzlerwechsel. Die Grünen müssten sich selbst klein machen und auf Neuwahlen verzichten. Das Signal haben sie der Unionsspitze aber bisher nicht gegeben.
Fazit: Ein vorzeitiger Koalitionsbruch oder eine „Abdankung" Merkels wären ein politischer Unfall.