Zur Glücklosigkeit verdammt
Der rot-rot-grünen Berliner Koalition droht ein Fiasko. Der Mietendeckel wird den Genossen der Hauptstadt sprichwörtlich um die Ohren fliegen. Der Grund: Sollte das Landesverfassungsgericht das umstrittene Gesetz kippen – wovon wir ausgehen – sieht sich insbesondere die Corona-gebeutelte Kernklientel von Mietrückforderungen bedroht. Das Urteil soll voraussichtlich im April 2021 – im Superwahljahr inklusive Berlin-Wahl – verkündet werden. Wie kann man dann den Wählern dieses Debakel vermitteln?
Zwei Punkte machen das Gesetz höchstwahrscheinlich verfassungswidrig. Zum einen ist es fraglich, ob das Land Berlin die Kompetenz für dieses Gesetz besitzt. Der gebürtige Berliner und ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier hat sich dagegen ausgesprochen. Zum anderen ist die von der ehemaligen Bausenatorin Lompscher (Linke) ins Gesetz eingebrachte rückwirkende Absenkung der Bestandsmieten nach Ansicht vieler Juristen nicht mit der Verfassung vereinbar. Der Deutsche Anwaltverein kritisierte diesen Punkt bereits im vergangenen August.
Kritisch sowohl für Mieter als auch Vermieter
Kritisch wird es dann, wenn das Gesetzt kassiert wird – und zwar für Mieter, Vermieter und die Koalition im Roten Rathaus. Mieter müssen sich dann auf hohe Nachzahlungen einstellen. Für viele Berliner wird das nicht möglich sein – insbesondere für die im Niedriglohnsektor arbeitenden Gruppen, die aufgrund der Corona-Pandemie ihre Jobs verloren haben oder von Lohn- und Stundenkürzungen betroffen sind. Dazu gehören insbesondere Studenten, migrantische Milieus aber auch die Kulturszene. Von allen gibt es in Berlin reichlich. Wenn sie sich die Nachzahlungen nicht leisten können, droht im schlimmsten Fall der Verlust der Wohnung.
Kritisch wird es auch für die Vermieter. Wenn Mieter aus den oben genannten Gründen nicht zahlen können, drohen langwierige Rechtsstreitigkeiten und Kündigungen. An diesem Aufwand kann kein Vermieter ein Interesse haben.
Ein politisches Debakel für die SPD und waghalsig für die Hoffnungsträgerin
Schließlich leidet das ohnehin kaum noch vorhandene Ansehen des Berliner Senats. Mit dem Mietendeckel droht die linke Regierungskoalition ihrer Kernklientel am Ende mehr zu schaden als zu nutzen. Das wird an der Wahlurne nicht spurlos vorbeigehen.
Bisher scheint es aber vor allem einen Verlierer zu geben: die SPD. Die Partei steht in Umfragen bei gerade einmal 15%, noch hinter den mitregierenden Grünen und Linken und der CDU. Da sie die rot-rot-grüne Regierung anführt, richtet sich der Frust fast ausschließlich gegen sie und den regierenden Bürgermeister Michael Müller. Dessen Führungsschwäche – er hätte den unhaltbaren Deckel unterbinden müssen – schlägt jetzt voll auf die Partei durch.
Giffey soll es richten
Franziska Giffey soll es nun richten. Sie wird aller Voraussicht nach am 31.10.2020 auf dem Landesparteitag als neue Berliner Vorsitzende und Spitzenkandidatin nominiert. Ihr Erbe tritt sie auf den politischen Trümmern ihres Vorgängers Michael Müller an. Sollte Sie bei der Wahl ein Jahr später Erfolg haben, würde das ihren Status als Hoffnungsträgerin der SPD stärken. Sollte sie jedoch daran scheitern, würde das weitere Ambitionen vorerst zunichte machen.
Die Parteibasis ist sich sicher, dass sie die nächste regierende Bürgermeisterin wird. Ob letztendlich die starke Kandidatin oder die schwache Partei bei der Wahl im kommenden September überwiegt, bleibt abzuwarten. Angesichts starker Grüner ist das fraglich. Wenn nach der Corona-Krise das Thema Klima wieder hochkocht, wird die SPD dem wenig entgegensetzen können.
Fazit: Das Rote Rathaus droht bei der nächsten Wahl „grün“ zu werden. Die SPD verliert weiter. Abhängig davon, wie schlimm das Debakel ausfällt, könnte das der Karriere von SPD-Hoffnungsträgerin Franziska Giffey deutlich schaden. Sie geht mit der Kandidatur ein erhebliches persönliches Risiko ein.
Hinweis: Vermieter sollten frühzeitig den Kontakt zu ihren Mietern in Berlin suchen. Schlagen Sie vor, ein Sonderkonto einzurichten, auf den regelmäßig die Differenzmiete überwiesen wird. Sollte das Gesetz Bestand haben, können sich die Mieter nach dem Urteilsspruch über ein kleines Ersparnis freuen. Auch ein sensibles Anschreiben im Vorfeld des Prozesses ist denkbar. Machen Sie den Mietern klar, worum es dabei geht.