Das Weidmann-Opfer
Bundeskanzlerin Angela Merkel überlässt die EZB-Präsidentschaft den „Freunden in Europa". Sie unterlässt es, sich für die Kandidatur von Bundesbankpräsident Jens Weidmann einzusetzen. Statt dessen zielt sie wohl darauf ab, im Gegenzug den Zugriff auf den ebenfalls bald frei werdenden Chefsessel der Kommission zu erhalten. Merkel will damit stärkeren Einfluss auf den weiteren Ausbau der EU gewinnen. Sie opfert Weidmann, um Emmanuel Macrons wahltaktisch störenden Reformeifer bremsen zu können.
Zur eigenen Gestaltung der EU-Entwicklung taugt der Kommissionsvorsitz nicht. Denn Merkel hat dafür kein Konzept. Zudem behalten weiter die Staatschefs „die Hosen an". Eher dürfte sie auf den politischen Zusatznutzen zielen: Sie kann jetzt nicht mehr für den neuen EZB-Chef in Haftung genommen werden. Ein EZB-Präsident Weidmann von Merkels Gnaden hätte (wie derzeit Mario Draghi) als Projektionfläche für die Verschwörungstheorien von Rechtspopulisten und -radikalen herhalten müssen, was auch auf seine Patronin zurückgefallen wäre. Aber entspricht diese Haltung dem Grundsatz: „Erst das Land?" Wohl nicht.
Fazit: Merkel nimmt ganz bewusst aus politisch-taktischen Gründen eine weitere Beschädigung des Euros in Kauf. Sie signalisiert damit, dass die Währung für sie nachrangig ist. Und schwächt zugleich das politische Gewicht hinter der fälligen Straffung.
Hinweis: Wir berichteten am 23.08.2018 sowohl in Fuchs-Kapital als auch im Fuchsbrief über die politischen und wirtschaftlichen Folgen dieser Entwicklung.
Lesen Sie hierzu auch nochmal unser Plädoyer für Jens Weidmann als EZB-Präsident.