Bonität runter, Dollar rauf
Eine Herabstufung der Schuldnerqualität hat zur Folge, dass der betreffende Staat ein höheres Risiko in den Anlegerportfolios darstellt. Das möchten Gläubiger höher verzinst bekommen. Die Zinsen auf US-Staatsanleihen müssen also tendenziell (geringfügig) steigen.
Das aber erhöht eher die Attraktivität von US-Anlagen, zumindest auf mittlere Sicht. Und weitere Faktoren kommen hinzu, die im Markt bisher zu wenig Beachtung finden. ESG-Ratings nehmen verstärkt Staatsanleihen ins Visier, und da haben die USA als Land mit der Todesstrafe schlechte Karten. Für immer mehr institutionelle Portfolios sind Anleihen der US-Regierung inzwischen tabu. Man behilft sich zwar mit Dollar-Bonds, die von internationalen Institutionen wie Weltbank oder IWF oder von staatsnahen Institutionen (government-sponsored enterprise, GSE) wie den Hypotheken-Agenturen Fannie Mae und Freddy Mac begeben werden, für die die US-Regierung bürgt, ähnlich wie in Deutschland das Finanzministerium für die KfW. Denn an Dollaranlagen kommt niemand vorbei. Sie gehören zur Portfoliodiversifikation und damit Risikoabsenkung ins Gesamtportfolio. Aber dieser Markt für Staatsanleihen-Derivate ist zersplittert und deutlich kleiner als jener für die US-Treasuries (knapp 24 Billionen US-Dollar).
Bonitätsrisiko durch ESG / SRI
Das bedeutet: Mittel- bis langfristig – wir sprechen hier über einen Zeitraum nicht unter fünf Jahren – könnte sich die Herabstufung der Schuldnerqualität im Verein mit der Ächtung der USA als nicht nachhaltiger Schuldner im Sinne nachhaltigen Investierens (SRI) auswirken. Welche Konsequenzen ESG-Ratings in dieser Hinsicht haben, ist bisher nicht bekannt und wird am Markt sehr unterschiedlich eingeschätzt. Der Dollar ist sicherer Hafen im internationalen Anlagekontext und kann nicht ganz gemieden werden.
Wende in der Geldpolitik
Diese Faktoren kommen zur Wende in der US-Geldpolitik hinzu. Die US-Notenbank versucht, ihre Bilanz langsam wieder herunterzufahren. Zunächst einmal tritt sie selbst nicht mehr als Käuferin auf. Zum anderen gibt sie dosiert gekaufte Bonds in den Markt. Neue Käufer sind deutlich preissensibler als die Zentralbanken, die über beinahe ein Jahrzehnt den Markt machten und sich nun zurückziehen. Auch das spricht für steigende Zinsen mit denen Käufer gelockt werden müssen. Und steigende Zinsen sind, solange die US-Wirtschaft als ein attraktiver Markt und die USA als sicherer Hafen gelten, Wasser auf die Mühlen des Dollar.
Auch wenn Europa in Sachen Staatsschulden etwas zurückhaltender agiert als die USA und es hier keine Todesstrafe gibt, hat Europa ein deutlich schwerwiegenderes demografisches Problem und bleibt als Innovations- und Industriestandort zunehmend zurück. Fitch hat allerdings noch auf die zunehmend chaotische Staatsführung der USA verwiesen. Die Agentur spricht von einer „Erosion der Regierungsführung in den letzten zwei Jahrzehnten“. Hier haben die Amerikaner tatsächlich ein tiefer reichendes Problem; aber Europa kämpft mit der Migrationskrise und dem daraus resultierenden erstarken rechter, europaskeptischer Parteien.