Das Ende des Zins-Marktes
Die Anpassungen im Zinsspektrum fallen nach den Corona-Hilfsaktionen der Notenbanken massiv aus. Deutliche Erwartungsänderungen (nach unten) und Unsicherheiten gibt es vor allem auf 3-Monatssicht bei den langfristigen Zinsen. Hier taxt beispielsweise die Commerzbank deutsche Bundesanleihen per Juni von zuvor -0,20 auf -0,60, Berenberg passt von -0,20 auf -0,40 an, die LBBW von -0,50 auf -0,75. US-Treasuries sieht Berenberg auf 3-Monatssicht jetzt bei 1,0% (vorher 1,8%), die Co-Bank sieht sie bei 0,75% (vorher 1,75%) und die LBBW bei 0,60% (vorher 1,75%).
Auch auf 12 Monate fallen die Erwartungs-Anpassungen im Langfristspektrum der Zinsen erheblich aus. Zum Ende des 1. Quartals 2021 sieht Berenberg zehnjährige Bundesanleihen jetzt bei 0,20% (vorher 0,10%). Bei den US-Treasuries sind sich die Prognostiker weitestgehend einig: bei 1,0% sollen die Zehnjährigen in einem Jahr in den USA liegen. Auch hier fallen die Anpassungen massiv aus: Berenberg kommt von vorher 2,0%, die Co-Bank von 1,45%, die LBBW taxt von 2,0% auf jetzt 1,05% zurück.
US-3-Monatszins auf Jahressicht kräftig zurückgenommen
Noch deutlicher sind die Erwartungs-Korrekturen beim US-3-Monatszins auf Jahressicht. Berenberg nimmt diesen von 1,75% auf 0,1% zurück, die Co-Bank von 1,5% auf 0,55%, die LBBW geht von 1,3% auf 0,25% zurück.
Die Begründung ist weitgehend einheitlich: Durch die extrem gestiegene Staatsverschuldung im Zuge der Corona-Krise sehen sich die Notenbanken veranlasst, auch das langfristige Ende der Zinsen ihrer Kontrolle zu unterwerfen, indem sie den Anleihenmarkt „übernehmen“. Man kann auch sagen: Es gibt keinen Zinsmarkt mehr.
Deutliche Anpassungen auch bei den Wechselkurs-Erwartungen
Im Wechselkursbereich fallen die Anpassungen nicht ganz so harsch, aber ebenfalls teilweise deutlich aus. Vor allem Pictet Wealth Management sieht auf 3 Monate einen sehr starken Dollar bei 1,05 (vorher 1,10). Die anderen Banken sehen den USD um 1,10.
Dollar-Yen mit enormer Spannweite
Auch USD|JPY zeigt bei sichtbaren Prognoseänderungen und einem im Trend stärker angenommenen Yen eine erhebliche Bandbreite von 105 (HSBC, unverändert) bis zu 112 im Dreimonatsbereich und 101 (CIBC) bis 116 (LBBW) auf Sicht von 12 Monaten. Ausschlaggebend ist einmal die schwache wirtschaftliche Verfassung Europas, die den nachlassenden Zinsvorsprung der USA überkompensiert und „das Ende der Möglichkeiten“ der japanischen Notenbank, die paradoxerweise den Yen zum sicheren Hafen vor allem für die Asiaten macht und ihn daher im Trend zu Dollar und Euro aufwerten lässt.
Die Prognosen im Einzelnen
Berenberg hat insbesondere die Zentralbankprognosen (scharf) nach unten angepasst. Für den weiteren Ausblick sei vor allem die Frage entscheidend, wie lange die drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft anhalten werden. Je länger der Shutdown dauert und je tiefer der Einschnitt sein werde, umso kräftiger könne die anschließende Erholung ausfallen. Die Zinsen würden laut Berenberg auf jedem Fall für eine noch längere Zeit extrem niedrig bleiben.
Bei den Zinsen erwartet die Co-Bank, dass die Notenbanken alles daran setzen werden, dass sich die finanziellen Rahmenbedingungen nicht durch steigende Renditen verschärfen werden. Denn die Schuldenlast der Staaten ist durch die Corona-Rettungspakete schon jetzt nur noch bei annähernd Nullzinsen tragbar. Die Fed habe bereits angekündigt, dass sie die Beträge aufkaufen wird, die erforderlich sind, um die Renditen zu deckeln. Die Währungen sollten im Trend wieder stärker auf die Fundamentaldaten ansprechen. Daher erwarten die Co-Bank Volkswirte einen Rückgang des überbewerteten US-Dollar. Denn die Zinsunterschiede hätten sich verringert und der Ölpreiseinbruch werde die US-Wirtschaft wohl stärker beeinträchtigen als die Eurozone. Der Euro dürfte besser abschneiden als der Yen, da seine stärkere Zyklizität mehr Unterstützung bieten werde, wenn sich der weltweite Risikoappetit wieder erholt.
Pictet sieht Ähnlichkeiten zwischen Yen und Euro
Pictet findet, Euro und japanischer Yen hätten sich während der jüngsten Marktturbulenzen recht ähnlich entwickelt. Als die Aktienmärkte ihre Talfahrt begannen, habe eine Umkehr bei den Finanzierungsströmen zu einer Aufwertung dieser beiden globalen Finanzierungswährungen geführt. Auf die Zinssenkung der Federal Reserve um 50 Basispunkte als erste geldpolitische Antwort auf die Krise zogen beide Währungen deutlich an, weil sich die Zinsunterschiede zum US-Dollar verringerten. Als der Aktienmarkt aber zusammenbrach, führte der dringende Cash-Bedarf der Wirtschaftsakteure zu einem Anstieg des Greenback, was den Euro und den Yen belastete.
Die LBBW sieht aufgrund der Corona-Pandemie generelle Anpassungen als notwendig an. Auch hier fallen die kräftigen Zinsanpassungen vor allem beim 3-Monatszins und den Treasuries in den USA auf.
Kanadier erwarten langfristig Gegenwind für den Dollar
Die kanadische CIBC sieht nach der akuten Phase der Corona-Krise beim Dollar den zurückgekommenen Zinsvorsprung als zentralen Faktor. Langfristig werde es Gegenwind für den Dollar geben; vor allem würden die Marktteilnehmer wieder stärker ihr Währungsportfolio diversifizieren und dazu Dollar verkaufen. Geschwächt werde der Dollar zusammen mit der US-Wirtschaft auch mit der nachlaufenden, aber umso heftiger ausfallenden Ansteckungsrate mit der Lungenkrankheit Covid-19. Ohnehin sei der Dollar grundlegend überbewertet mit Blick auf die die Handels- und Leistungsbilanzsalden. Das bewegt die CIBC, an ihrer mittelfristigen Neigung zu einem schwächeren Greenback gegen viele andere Majors im Jahr 2021 festzuhalten.
HSBC hat zum Vormonat keine Anpassungen vorgenommen. Während einerseits Gelder aus dem Ausland nach Europa zurückgeholt würden, flössen etwa in gleichem Volumen Auslandsgelder aus dem Euroraum ab. Der Effekt für den Wechselkurs sei also neutral. Für die Glaubwürdigkeit der Politik mangele es an Flexibilität und steuerlicher Koordinierung in der Eurozone, was den Euro belaste. Alles in allem sieht die HSBC den Japanischen Yen weiter als den „Outperformer“ in einer Umgebung, die Risiken meidet.