Wichtigster Ukraine-Unterstützer wendet sich ab
Die Ukraine ist der große Verlierer der aktuellen geopolitischen Entwicklungen. Das zeigte sich einerseits auf dem G20-Gipfel in Indien. Dort wurde weithin sichtbar: Die USA haben den Glauben an einen militärischen Sieg der Ukraine verloren. Das ist eine der Botschaften der Abschlusserklärung des Gipfels. Im vorigen Jahr pochte der Westen unter Führung der USA noch darauf, die Verurteilung des russischen Angriffskrieges in die Abschlusserklärung aufzunehmen – auch gegen den Widerstand Chinas und Russlands. In diesem Jahr einigten sich die Teilnehmer nur auf eine weiche Alternativformulierung.
Die USA verlagern ihren außenpolitischen Fokus von der Ukraine auf die Länder des globalen Südens – allen voran auf Indien. Die gemessen an der Bevölkerung größte Demokratie der Welt wurde zum wichtigsten strategischen Partner des Westens in der Pazifikregion auserkoren. Neu angekündigte Kooperationen unterstreichen das (Schienen- und Schifffahrtsprogramm).
Washington glaubt nicht mehr an militärischen Sieg
Die Amerikaner sehen, dass die Gegenoffensive der Ukraine unter Zeitdruck gerät. Die Ukraine hätte noch 30 bis 45 Tage Zeit für erhebliche Erfolge ihrer Gegenoffensive, so US-Generalstabschef Mark Milley. Dann beginnt die Schlammperiode. Weitere Vorstöße mit größeren Fahrzeugen werden dann unmöglich.
Darauf spekuliert offenbar auch die russische Militärführung. Seit Wochen gibt es keine relevanten russischen Vorstöße mehr. Russland konzentriert sich darauf, die eingenommenen Gebiete zu halten und die Gegenoffensive abprallen zu lassen. Es geht zunehmend darum, die eigenen Stellungen zu sichern und eine harte Grenze ziehen. Die wird die Ukraine zerteilen und sie dürfte militärisch immer schwieriger wieder zu verschieben sein.
USA fahren Hilfen zurück
Parallel dazu fahren die USA ihr Engagement für die Ukraine – entgegen allen Beteuerungen – zurück. Das zeigt der Ukraine Support Tracker des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW). Die Hilfszusagen der europäischer Geberländer belaufen sich inzwischen auf 156 Mrd. Euro. Darin enthalten sind 50 Mrd. langfristige Hilfen bis 2027. Die USA kommen auf etwas weniger als 70 Mrd. Euro, so das IfW. Vor einem halben Jahr lagen die USA noch vor den Europäern.
Das ist ein Problem für die Europäer. Sie sind in einem Krieg immer stärker auf sich gestellt, den die von ihnen unterstützte Seite militärisch wohl nicht gewinnen wird. Gleichzeitig wenden sich wichtige Akteure von dem Konflikt ab (USA, Indien, China, Brasilien). Das zementiert den geopolitischen Bedeutungsverlust Europas.
Europa hat ein doppeltes Ukraine-Problem
Europa hält aber noch unbeirrt an der Ukraine-Unterstützung fest. Die Ukraine könne sich darauf verlassen, dass „wir ihr auf ihrem Weg in die EU entschlossen unter die Arme greifen“, so Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) heute Morgen in Kiew. Dass der Beitritt der Ukraine zur EU aber tatsächlich zeitnah vollzogen wird, ist unrealistisch. Die grassierende Korruption und Oligarchie in Kiews Führungsriege bleibt an der Tagesordnung. Daran ändert auch die Entlassung des Verteidigungsministers Oleksij Resnikow nicht viel.
Der Beitritt zur EU muss aber einstimmig von den Ländern erklärt werden. Das ist längst nicht in Sicht. Denn eine EU mit der Ukraine als Vollmitglied wird in ihrer jetzigen Form nicht funktionieren. Die EU-Hoffnungen der Ukraine dürften darum nach Kriegsende enttäuscht werden.