Währungsausblick: EUR|USD Ende 2024 bei 1,10 erwartet
Die Zinsstruktur ist bleibt deutlich invers. Ein inverse Zinskurve tritt auf, wenn die kurzfristigen Zinssätze höher sind als die langfristigen Zinssätze. Dieses Phänomen ist besonders deutlich in den Prognosen für den Euroraum erkennbar. Im Median sind die Erwartungen für die kurzfristigen Marktzinsen deutlich höher als jene für die Anleihen mit 10-jähriger Laufzeit.
Das ist ein schlechtes Zeichen für die Konjunktur, ganz besonders im Euroraum. Denn eine inverse Zinsstruktur wird oft als Vorbote einer bevorstehenden wirtschaftlichen Abschwächung oder Rezession interpretiert. Der Grund dafür ist, dass Investoren langfristige Wertpapiere bevorzugen (und damit deren Renditen senken), wenn sie erwarten, dass die kurzfristigen Zinssätze fallen werden, was oft in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit oder erwarteter Zinssenkungen durch die Zentralbanken geschieht. Weniger ausgeprägt, aber dennoch vorhanden, könnte diese Tendenz im Euroraum auf ähnliche, aber möglicherweise weniger scharfe Konjunkturerwartungen hinweisen. Die Zinsstruktur in der Medianbetrachtung zeigt folgendes Bild:
3-Monats- und 10-Jahres-Zinssätze im Euroraum
Auf 3 Monate:
- 3-Monatszins: Median 3,75%
- 10-Jahres-Anleihen: Median 2,4%
Auf 12 Monate:
- 3-Monatszins: Median 3%
- 10-Jahres-Anleihen: Median 2,6%
3-Monats- und 10-Jahres-Zinssätze im Dollarraum:
Auf 3 Monate:
- 3-Monatszins: Median 5,25%
- 10-Jahres-Anleihen: Median 4,4%
Auf 12 Monate:
- 3-Monatszins: Median 4,75%
- 10-Jahres-Anleihen: Median 4,5%
Wechselkurserwartungen laufen Konjunktur entgegen
Die Erwartungen bei den Wechselkursen spiegeln nicht die Ableitungen aus der Zinsstruktur für die Konjunktur. Dollar und Yen werden auf Sicht von 3 Monaten und 12 Monaten zum Euro im Medianwert schwächer. Auf 3 Monate verschiebt sich die Erwartung von 1,05 auf jetzt 1,09 im Median. Auf Jahressicht geht es zugunsten des Euro von 1,04 auf 1,11. Bei USD|JPY zeigt sich eher eine Yen-Schwäche: Die Erwartungen verschieben sich auf 3 Monate im Medianwert von 144 auf jetzt 146, auf 12 Monate von 130 auf 140,50.
Bei den beiden „Schwach-Währungen“ Yen und Euro neigt sich die Waage – trotz der erwarteten Zinssenkungen im Euroraum und der „härteren“ Gangart in Japan – im Median zugunsten des Euro. Im 3-Monatsblick kostet der Euro im Median nun 158 Yen nach zuvor 155. In der 12-Monats-Vorausschau sind es 155 nach zuvor 147.
Wechselkurs-Prognosen auf 3 Monate:
- EUR/USD: Die stärkste Veränderung zugunsten des Euro zeigt ING mit einer Revision von 1,03 auf 1,09, und die Commerzbank von 1,12 auf 1,09. Beide treffen sich also beim Medianwert.
- USD/JPY: CIBC verzeichnet die größte Veränderung von 154 auf 147; sie sieht den Yen also stärker werden.
- EUR/JPY: LBBW weist die größte Revision von 162 auf 155,82 Yen je Euro auf. Auch sie sieht eine stärkere japanische Währung voraus als noch zu Jahresbeginn.
Wechselkurs-Prognosen auf 12 Monate:
- EUR/USD: LBBW zeigt die deutlichste Erhöhung für den Dollar von 1,10 auf 1,04, während die kanadische CIBC den Dollar zum Euro schwächer werden sieht und den Kurs von 1,11 auf 1,14 revidiert.
- USD/JPY: CIBC korrigiert auch hier zugunsten des Yen von 145 auf 135.
- EUR/JPY: LBBW sieht den Yen auch auf 12 Monate stärker werden und hat die Kurserwartungen von 157 auf 147,68 geändert; Commerzbank und CIBC haben keine Daten für diesen Zeitraum geliefert.
Pictet sieht Dollarstärke gut gestützt
Wie begründen nun einzelne Banken ihren neuen Kurs? Laut Pictet Wealth Management übertrifft das US-Wachstum weiterhin deutlich das Wachstum seiner Mitbewerber, was zusammen mit den hartnäckigen Inflationsdaten auf das Risiko eines späteren und flacheren Lockerungszyklus als in anderen G10-Volkswirtschaften hindeutet. Die Aussichten würden zusätzlich durch die US-Wahlen im November verkompliziert, die Ängste vor Handelsbeschränkungen und Zollkriegen schüren könnten. Insgesamt gehen die Analysten von Pictet davon aus, dass die Outperformance des US-Wachstums die Stärke des Dollars weiterhin unterstützen wird. Einen stärkeren Dollar sehen sie dennoch nicht, was eigentlich eine latente Schwäche bedeutet.
Die Bank of Japan (BoJ) habe auf ihrer März-Sitzung einen historischen Schritt unternommen, indem sie die Negativzinsen und die Zinskurvenkontrolle früher als erwartet beendete. Wenn die Lohn- und Inflationsdaten robust blieben, könnte die BoJ die Zinssätze später in diesem Jahr von derzeit 0-0,1 % auf 0,5 % anheben. Dennoch werde die große Zinsdifferenz zwischen Japan und den USA bestehen bleiben, bis die Fed mit der Lockerung beginnt. Während der Yen im Vorfeld der BoJ-Sitzung kurzzeitig an Wert gewann, sei er seitdem auf den tiefsten Stand seit mehreren Jahrzehnten gefallen. Angesichts der großen Zinsunterschiede dürfte der Abwärtsdruck auf den Yen anhalten.
Berenberg sieht Zinsschritt-Reihenfolge als Impulsgeber für Wechselkurse
Berenberg rechnen damit, dass EZB, Federal Reserve und Bank of England im Juni damit beginnen werden, die Leitzinsen zu senken. Geringfügige Verschiebungen in der erwarteten Reihenfolge der Zinsschritte könnten kurzfristig für Bewegung an den Märkten sorgen, wären langfristig allerdings unerheblich. Die Fed könnte – ausgehend von einem höheren Niveau – die Zinsen bis Mitte 2025 etwas mehr senken als die EZB, was den Zinsabstand zwischen den Währungsräumen leicht verringern würde. Davon könnte der Euro etwas profitieren.
Einen „echten Höhenflug“ gegenüber dem weiter strukturell starken Dollar sieht Berenberg allerdings nicht, da die US-Wirtschaft wohl weiter ein vergleichsweise sicherer Hafen bleibt. Im Gegensatz zu den drei anderen großen Zentralbanken rechnen die Hamburger damit, dass die Bank of Japan die Zinsen leicht anhebt.
Commerzbank sieht Eurostärke nur von kurzer Dauer
Die Commerzbank sieht in diesem Jahr begrenztes Aufwärtspotenzial für EUR|USD. Zum Jahresende erwarten die Volkswirte Notierungen um 1,10. Im Verlauf der nächsten Monaten dürfte der Euro leicht aufwerten, wenn klar werde, dass die EZB langsamer ihren Leitzins senkt als bislang vom Markt erwartet.
Allerdings dürfte der Euro-positive Effekt nicht andauern. Wenn der Markt erkennt, dass sich die Euroraum-Inflation auf einem hartnäckig hohen Niveau festsetzt, würden auch moderate EZB-Zinssenkungen als unangemessen lockere Geldpolitik und daher EUR-negativ wirken.
"Dollar wird leiden"
Auch wenn Fed-Zinssenkungen eingepreist seien, möge angesichts gegenwärtiger USD-Stärke der Dollar ein wenig leiden, wenn sie tatsächlich verkündet werden. Der negative Effekt würde aber wohl dadurch beschränkt werden, dass schnell klar werden dürfte, dass die Fed weniger Zinssenkungen vornehmen werde als bislang vom Markt erwartet. Als weiteres USD-positives Argument komme hinzu, dass die Wachstumsschere zwischen den USA einerseits, dem Euroraum und den meisten anderen G7-Volkswirtschaften andererseits weiter aufgehen dürfte. Die Commerzbank erwartet, dass die Wirtschaft in den USA im Prognosezeitraum deutlich schneller wächst als im Euroraum.