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2030
Interview mit Wolfgang Bosbach Teil 2/3

"Die Grünen müssen sich entscheiden, ob sie dem Land dienen wollen oder ihrer Basis"

Symbolbild Ampelkoalition. Buttons mit den Logos von SPD, FDP und Grünen. © Torsten Sukrow / SULUPRESS.DE / picture alliance
FUCHSBRIEFE sprachen mit dem Unions-Politiker Wolfgang Bosbach. Im zweiten Teil des Interviews geht es unter anderem um die Flexibilität der FDP, den Umgang mit politischen Rändern und warum die SPD sich gegen einen Gesundheitsminister Karl Lauterbach gesträubt hat.

FUCHSBRIEFE (FB): Herr Bosbach, die Ampelkoalition ist mit vielen Versprechungen gestartet. Klimaschutz, Digitalisierung. Die FDP wollte die Schuldenbremse. Davon musste vieles gekegelt werden. Das wird dann mit den Sachzwängen, die die Inflationen wie die Krise, der Krieg usw. mit sich bringen, begründet. Aus Ihrer Sicht: Wie viel darf Politik mit Krise entschuldigen?

WB: Also damit ja kein falscher Eindruck entsteht, wenn es eine andere Koalition gäbe, etwa die Große Koalition, dann hätte die Koalition die gleichen Probleme. Sie würde möglicherweise an der einen oder anderen Stelle eine andere Antwort geben, andere politische Maßnahmen ergreifen. Die Frage ist, welche politischen Schlussfolgerungen zieht man daraus? 

Allerdings, da liegen Sie nicht ganz falsch mit Ihrer Fragestellung, wurde erst alles mit Corona und jetzt der Energiekrise begründet. Oder auch gerne in Kombination Corona und die Energiekrise. Auch gerne genommen werden die gestörten Lieferkette oder der Fachkräftemangel. Das hat schon Kurt Tucholsky vor fast 100 Jahren in einem Gedicht geschrieben:  “Etwas ist immer.” Deswegen plädiere ich ja auch dafür, dass man nicht immer mit so unglaublich hohen Ansprüchen antritt. Eher tiefstapeln und mehr leisten. Ich will mal ein konkretes Beispiel nehmen. Jahr für Jahr sollen 400.000 neue Wohnungen gebaut werden. So, jetzt sind so 2/3 des Jahres vorbei. Nie und nimmer wird man auf die Zahl 400.000 kommen. Und nie und nimmer wird die Ampel sagen: “Wir haben die falschen politischen Entscheidungen getroffen.” Die werden immer sagen: “Das ist großer Fachkräftemangel, gestörte Lieferketten, Energiekrise. Alles schwierig.” Nie würde die Politik sagen: “In das Regal, in das wir gegriffen haben, das war zu hoch. Wir haben das, was wir versprochen haben, deutlich unterboten.”

FB: Aber haben Sie den Eindruck, dass die “Krisendichte” zunimmt? Ist Krise der neue Normalzustand? Oder haben wir es aus früheren Zeiten nur nicht mehr so im Gedächtnis.

WB: Ja und nein. Ihre Beschreibung ist schon richtig. Aber wir hatten früher epochale Krisen über Jahrzehnte hinweg. Für mich war da immer die Teilung der Welt in Ost und West, Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl, die Teilung unseres Heimatlandes. Das war jetzt keine Krise in dem Sinne wie Corona und Energiekrise. Aber die Überwindung dieser Spaltung war doch eine globale Aufgabe von überragender Bedeutung. 

Dann fiel die Mauer und wir dachten, jetzt würde eine ganz neue Epoche beginnen mit Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Aber dann ging es in der Tat Schlag auf Schlag. Denken Sie an die Wirtschafts- und Finanzkrise, die Flüchtlingskrise 2015, Corona, jetzt Energie. Wir befinden uns praktisch seit mehr als einem Jahrzehnt in einem permanenten Krisenmodus mit der Folge, dass wir die Krise und die daraus sich ergebenden Folgen mit nationalen Mitteln alleine gar nicht bewältigen können.

FB: Was macht diese Permanenz der Krise mit Politik und auch mit Vertrauen?

WB: Es geht vor allem um die Beantwortung der Frage, ob es die Bürgerinnen und Bürger dem Staat noch zutrauen, die Entscheidungen zu treffen, die getroffen werden müssen, um die Krisen zu bewältigen. Bei der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 war es ja von überragender Bedeutung, dass die damals handelnden Akteure Angela Merkel und Peer Steinbrück, den deutschen Sparerinnen und Sparer erklärt haben, ihre Sparguthaben sind sicher, damit es keinen Bankrun gibt, so wie in anderen Ländern. Und die Menschen haben darauf vertraut. Das war ganz, ganz wichtig. Das ist eine Frage der Authentizität und ob die Bürgerinnen und Bürger davon ausgehen, dass die politischen Entscheidungen getroffen werden, die richtig sind. Das ist eine Frage der Kompetenzvermutung.

FB: Was braucht man denn in so einer Zeit, in der sozusagen eine Krise die andere jagt? Braucht man da Ideologie und Programm oder Pragmatismus und Flexibilität?

WB: Ich bin auf jeden Fall im Team Pragmatismus und Flexibilität. Das sehen Sie ja auch gerade beim Thema Energie. Wir müssen alles unterlassen, aber auch wirklich alles unterlassen, um Gas zum Zwecke der Stromerzeugung zu verbrennen. Und wir brauchen Gas für die Haushalte. Wir brauchen Gas für die Produktion der Betriebe, die auf eine sichere Gasversorgung angewiesen sind, also zur Produktion, zur Herstellung von Gütern. Und es wäre sinnvoll, die drei AKWs noch am Netz zu lassen. Und es hört sich jetzt pathetisch an, aber es ist tatsächlich so: Die Grünen müssen sich jetzt in der Regierung entscheiden, ob sie dem Land dienen wollen oder ihrer Basis.

FB: Um die Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger zu finanzieren, nimmt der Bund immer neue Schulden bzw. “Sondervermögen”auf und hat die Schuldenbremse defacto vorerst auf Eis gelegt. Sollte man das Thema also gerade auch unter dem Aspekt der Ehrlichkeit jetzt nicht mal langsam von der politischen Agenda streichen? Fährt Christian Lindner den richtigen Kurs, in dem er ständig daran festhält?

WB: Also ich glaube, dass Christian Lindner aus Überzeugung an der Schuldenbremse festhalten will. Das nehme ich ihm ab. Ich fürchte allerdings, dass er es nicht einhalten kann, wenn er gleichzeitig die Hilfen bereitstellen möchte, die die produzierende Wirtschaft und die Haushalte brauchen. Wenn in Deutschland aus Kostengründen Produktion eingestellt wird, dann heißt das doch nicht, dass diese Güter überhaupt nicht mehr hergestellt werden. Sie werden nur nicht mehr bei uns hergestellt. Und dann zu glauben, wenn die Krise vorbei ist, dann kommen die Kunden alle wieder in die angestammten Betriebe zurück und bestellen dort weiter. Diesen Glauben habe ich nicht. In dem einen oder anderen Fall macht das der Fall sein. Aber wenn erst mal Produktionen in anderen Ländern ausgeweitet worden sind, besteht die Gefahr eines Verlustes. Sie können ein Haus einreißen mit zwei Methoden Sie können mit der Abrissbirne kommen. Riesen Knall Haus liegt am Boden oder Sie können Stein für Stein von einem Haus per Hand entfernen. Das letztere ist unspektakulär, aber das Ergebnis ist am Ende das Gleiche. Deshalb befürchte ich eine schleichende Deindustrialisierung unseres Landes, wenn wir nicht zu stabilen Verhältnissen kommen.

FB: Sie haben eben formuliert. Die Grünen müssen sich entscheiden, ob sie dem Land dienen wollen oder ihren Wählern. Was ich mich frage, ist genau diese Frage, aber im Grunde auf die FDP bezogen: Wie lange können die Liberalen das eigentlich durchhalten?

WB: Eine kleine Korrektur. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Grünen weniger sorgen müssen um ihre Wählerinnen und Wähler, als um ihre Parteibasis. Die Grünen kommen ja aus der Öko Pax Bewegung. Es ist schon schwierig, wenn jetzt stolze Kriegsdienstverweigerer plötzlich für schwere Waffen für die Ukraine plädieren oder wenn Herr Habeck nach Katar fliegt, um fossile Brennstoffe zu organisieren. Ich kritisiere das gar nicht, aber der Politikwechsel ist schon atemberaubend. Ich glaube, die Wählerinnen und Wähler der Grünen hätten jedenfalls überwiegend Verständnis dafür, wenn sie sich jetzt in der Kernkraftwerke vorübergehend korrigieren würden. Bei der Basis sehe ich das anders, weil ja diese Ökologiebewegung nicht allein, aber auch ganz wesentlich geprägt war vom Kampf gegen die Kernkraft, Gorleben, Wackersdorf... Für sie ist es ein Thema von identitätsstiftender Bedeutung. 

Der Unterschied zur FDP liegt darin, dass die FDP zumindest einigermaßen glaubhaft erklären könnte: “Wir würden ja gerne, aber wir können nicht bei unseren Überzeugungen bleiben, weil wir eine so epochale Herausforderung haben, auf die wir reagieren müssen.” Die Grünen könnten sich ohne Weiteres korrigieren. Sie fürchten nur für sich selber politische Konsequenzen. Und das hat mehr mit der Parteibasis zu tun als mit den Wählerinnen und Wählern der Grünen.

FB: Aber sehen Sie irgendwo eine rote Linie für die FDP?

WB: Ich kenne Christian Lindner sehr gut. Er stammt ja aus meinem ehemaligen Wahlkreis, aus der Stadt Wermelskirchen. Er war ja auch bei einigen Wahlen mein Gegenkandidat. Also kennen uns nicht nur, wir haben auch ein persönlich gutes Verhältnis. Deswegen drücke ich mich jetzt mal, weil ich persönlich befangen bin, sehr vornehm aus und Sie glauben gar nicht, wie flexibel die FDP sein kann, wenn es ihr darum geht, an der Regierung zu bleiben oder an den Regierungsämtern festzuhalten. Ich glaube auch nicht, dass diese Regierung vorzeitig scheitert, es sei denn, es kommt ein Ereignis, an das wir ihr jetzt gar nicht denken. Ich glaube, dass die FDP in den nächsten Jahren sehr flexibel sein wird.

FB: Ähnlich flexibel kommt mir im Moment auch Friedrich Merz vor, der ja auch das eine oder andere von seinen Grundüberzeugungen jetzt zurückstellt. Ist das Einsicht oder ist das ein weiterer Verlust an Glaubwürdigkeit?

WB: Oh, das ist eine gute Frage. Und hier würde ich mal zu seinen Gunsten Klugheit unterstellen. Denn ich kann mich noch sehr genau daran erinnern und das habe ich in dem Buch auch ausführlich beschrieben, mit welchen Mitteln und Argumenten Friedrich Merz zweimal verhindert wurde, Parteivorsitzender zu werden. Immer wieder hat man gesagt: “Friedrich Merz, um Gottes Willen, das ist ja der Gang zurück in die Vergangenheit. Antieuropäischen Nationalismus feiert fröhliche Urstände. Der ist ja viel zu konservativ. Er symbolisiert das große Geld…” Bis man die Basis gefragt hat! Jetzt war die aber Überraschung ganz anderer Meinung. Auch dort war immer Friedrich Merz der Favorit. 

Jetzt bemüht er sich redlich darum, alles, was man eben bei den beiden Wahlgängen zuvor vorgehalten hat, zu widerlegen, zu sagen Leute, ihr habt die richtigen Entscheidungen getroffen. Gucken Sie sich einmal die Zusammensetzung des Bundesvorstandes der CDU an Friedrich Merz braucht ja auch da Rückhalt und Rückenwind. Und deswegen ist es für mich menschlich verständlich, dass er jetzt einen Kurs fährt, der die Partei zusammenhält und nicht in neuen Sachfragen spaltet.

FB: Sie schreiben in Ihrem Buch sinngemäß, dass man die die Gründung der AfD wohl nicht verhindern konnte, wohl aber ihren Aufstieg hätte man verhindern müssen oder sollen. Wie hätte man denn den Aufstieg der AfD Ihrer Ansicht nach verhindern können?

WB: Nach dem Weggang der Gründer Olaf Henkel und Professor Lucke geriet die AfD in schweres Fahrwasser. Dann kam die Flüchtlingspolitik. Die Flüchtlingspolitik hat der AfD einen deutlichen Auftrieb gegeben und das war schon sehr interessant zu beobachten, wie sich diese Monate entwickelt haben. Wir sprechen von Anfang September 2015 bis Januar bzw. März, also Schließung der Balkanroute und das Abkommen mit der Türkei. 

Der Wendepunkt war eigentlich die Kölner Silvesternacht 2015/2016. Plötzlich durfte man sagen ohne sofort in eine ausländerfeindliche Ecke gestellt zu werden: “Die Flüchtlingspolitik der letzten Monate ist auch mit erheblichen Problemen verbunden.” Ich bin der festen Überzeugung, es wäre ein Unterschied gewesen die Aufnahme der Geflüchteten vom Budapester Bahnhof zu einmaligen Aktion zu erklären, zur Verhinderung einer humanitären Katastrophe. Ansonsten muss sich Europa mit diesen Problemen beschäftigen. Das wäre ein ein anderer Sachverhalt gewesen, als wenn man sagt: “Die Grenzen sind offen.”

FB: Und was kann Politik jetzt tun, um die AfD wieder klein zu bekommen?

WB: Ich glaube, wenn Sie sich einmal die Landkarte ansehen, dann haben wir einen großen Unterschied zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Kommen Sie mal nach Bergisch Gladbach und Rheinisch Bergischen Kreis. Hier spielt die AfD überhaupt keine Rolle. Das ist in den neuen Bundesländern völlig anders, weil da die Bindung an die Parteien nicht so groß ist. Bei uns im Westen ist sie ja über Generationen gewachsen. Und weil es auch nicht wenige gibt, die nicht, weil sie nur rechtsradikales Gedankengut pflegen oder Neonazis sind, sondern auch aus Protest AfD wählen, um es den anderen Parteien mal zu zeigen. Wohlgemerkt, das macht die Sache nicht besser, ob man aus einer rechten Gesinnung oder aus einer Protesthaltung heraus die AfD wählt. Nur wir müssen sehen: Was sind die Motive? Und ich bin der festen Überzeugung, wenn man Menschen Hoffnung gibt, wenn man ihnen Sicherheit gibt, wenn man ihnen glaubhaft erklären kann, welche Probleme haben wir, wie wollen wir sie lösen, wenn die Politiker authentisch sind und die Lösungsvorschläge praktikabel, dass man auch Vertrauen zurückgewinnen kann.

FB: Machen Sie sich darüber Gedanken, dass die AfD eventuell von einem Stimmungsumschwung profitieren könnte. Innenministerin Nancy Faeser warnt bereits diejenigen, die gegen hohe Preise demonstrieren wollen, sollen schauen, mit wem sie gehen und ob er denn nicht auch rechts ist. Das ist doch eine kritische Entwicklung – sowohl das auf die Straße gehen und die Zuordnung gleich zum rechten Spektrum.

WB: Ja, das erinnert mich an die Corona-Demonstrationen. Demonstration ist, ein Grundrecht. Übrigens man unterscheidet auch nicht danach. Ist jetzt das Anliegen sinnvoll oder sinnlos? Das Grundrecht auf Demonstration bedarf auch nicht der Genehmigung, sondern Demonstrationen müssen angemeldet werden. Nicht alle, die auf die Straße gehen, kann man subsumieren unter rechts. 

Aber wenn die Bundesinnenministerin sagt: “Guckt, mit wem ihr marschiert”, da würde ich sagen: “Ja, da hat sie recht.” Kommen jetzt Rechts oder Linksradikale dazu, um sozusagen Anschluss zu finden an die politische Mitte? Mit denen würde ich auch nicht gemeinsam demonstrieren oder gemeinsame Sache machen wollen. Guckt, wer zu euch kommt und wer euch instrumentalisieren möchte. Denn darum geht es ja.

FB: Bei den ersten Anti-Corona-Massendemonstrationen versammelte sich ein extrem heterogenes Publikum. Wie will man sich dann überhaupt distanzieren? Ich weiß das ja unter Umständen vorher gar nicht als Teilnehmer einer solchen Demo.

WB: Ja, das Problem kennt jeder Fußballfan. 8000 Fans des 1. FC Köln reisen nach Nizza zum Auswärtsspiel der Geißböcke gegen OKC, Nizza. Vielleicht 1% oder 2 %, die nenne ich nur “Fans” in Anführungszeichen, begingen dort Straf- und Gewalttaten. Da kannst du auch nicht die anderen 98 % mit in Haftung nehmen, aber 98 % der Berichterstattung haben sie sich dann auf diese 100 Chaoten gestürzt. Die Berichterstattung war weit überwiegend geprägt von den Ausschreitungen in Nizza. Und zum Schluss kam dann noch der Hinweis Übrigens, das Spiel ist eins zu eins ausgegangen. Das konnten die anderen Fans, die friedlichen, die Masse auch nicht verhindern. 

So ähnlich ist es bei Demonstrationen auch. Aber es finden ja Gespräche statt im Vorfeld, jedenfalls bei Großdemonstrationen mit den zuständigen Behörden. Es gibt Sicherheitsabsprachen, Ordner müssen gestellt werden. Und gerade wenn man eine solche Demo organisiert, also auch Verantwortung für den friedlichen Ablauf trägt, dann wird man schon mitbekommen, wer kommt eigentlich dazu.

FB: Der anhaltende Erfolg von Karl Lauterbach in der Öffentlichkeit, seine Dauerpräsenz – was sagt das eigentlich über das Publikum aus?

WB: Das sagt über das Publikum aus, dass es zunehmend genervt ist. Und ich treffe immer mehr, die gedacht haben oder auch gesagt haben: “Am Anfang war ich von Herrn Lauterbach beeindruckt, aber mittlerweile kann ich nur noch den Kopf schütteln.” Das für mich wirklich Bemerkenswerte ist, dass diejenigen Virologen, Epidemiologen, die viel näher an der Wirklichkeit waren, nicht halb so viel Gehör gefunden haben wie Herr Lauterbach.

FB: Haben die Medien da ihren Job gut gemacht, indem sie Herrn Lauterbach auch immer wieder eingeladen haben?

WB: Ja gut, da müssen Sie die Kollegen fragen. Was ich kritisiere ist, dass im Laufe der Monate, sich doch in den Redaktionen herumgesprochen haben muss, dass Herr Lauterbach sehr selektiv aus Studien zitiert oder sie etwas verzerrt darstellt. Das haben ja auch seine eigenen Parteikollegen gewusst. Bei der Frage, ob Lauterbach Gesundheitsminister wird, wusste die SPD schon, warum sie Lauterbach nie ein herausgehobenes Amt anvertraut hatten. Das wussten die ganz genau.

FB: Ja, aber es geht ja nicht nur um Lauterbach. Wir haben auch das Thema der Inzidenzzahlen. Die wurden auch immer wieder breitgetreten, obwohl man doch auch als Journalist recht bald erkennen konnte, dass ist nicht wirklich die maßgebliche Zahl, wenn wir über das Problem reden.

WB: Ja, das stimmt. Man hat dann gemerkt, alleine die Zahl der Infizierten im Vergleich zu 100.000 Einwohner ist nicht aussagekräftig genug. Wir müssen noch weiter differenzieren nach Verlauf, Hospitalisierung oder sogar künstliche Beatmung, also schwere Verläufe, wie ist die Belegung auf den Intensivstationen usw. Dann ist man schon zu anderen Werten gekommen und dann hat man ja rasch gesehen, die Lage haben wir ja heute auch, dass die Zahl der Infizierten, also die Inzidenz sah zu 100.000 Einwohnern, heute weit aus und dramatischer ist als zu Beginn der Pandemie.

Wolfgang Bosbach (*1952) ist ein deutscher Politiker der CDU und war von Februar 2000 bis November 2009 stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Union und von November 2009 bis Juli 2015 Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. Vor kurzem erschien sein neues Buch: "Wer glaubt uns noch?: Warum Politik an Vertrauen verliert und was wir dagegen tun können"

Das Gespräch führten auf Seite der Fuchsbriefe Ralf Vielhaber, Stefan Ziermann und Philipp Heinrich. Den dritten Teil - der sich mit gesellschaftlichen Trends beschäftigen wird - lesen Sie demnächst auf fuchsbriefe.de

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