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Die Zeit der Reden ist bald vorbei

Neue Konfliktlinien in der EU brechen auf

Ursula von der Leyen hält eine Rede. (c) picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michel Euler
Selten war die EU so geeint wie in den vergangenen Wochen. Der Ukraine-Krieg schweißt die Länder zusammen. Doch die Harmonie wird nicht von Dauer sein. Neben alten ungelösten Problemen treten nun noch neue hinzu.

Der Ukraine-Krieg eint die EU - allerdings nur oberflächlich und vorübergehend. Die derzeit herrschende Einigkeit wird nicht lange anhalten. Der russische Angriff auf die Ukraine macht eine politische Positionierung gerade sehr leicht. Auch Handlungsfähigkeit zu demonstrieren (Sanktionen) ist problemlos möglich.

Zeitenwende und neue Probleme

Schon mittelfristig dürfte aber Schluss sein mit der Einigkeit. Denn die EU muss sich in ihrer neuen geopolitischen Rolle erst noch finden. Wichtiger noch: Sie muss ihre Rolle selbst definieren. Genau das birgt aber gehörig Konfliktpotenzial. Floris de Witte, Professor für Jura an der London School of Economics, analysiert, dass sich die EU erstmals in ihrer Geschichte „nach außen gewandt“ und in einen Akteur verwandelt hat, der seine Interessen sowohl wirtschaftlich, als auch politisch und militärisch schützt. Während die EU-Kommission auf vergangene Konflikte stets mit „Betroffenheit und tiefem Bedauern“ antwortete, reagierte sie in diesem Fall als selbstbewusster geopolitischer Akteur. Diese neue Rolle der EU wird Konflikte heraufbeschwören und alte verstärken. Es gibt drei große Streitfelder:

  • Militär: Die EU-Staaten reagieren auf die veränderte sicherheitspolitische Situation und rüsten auf. Allerdings müssen nun auch Fragen beantwortet werden: Wie weit soll es ein koordiniertes EU-Vorgehen in Sicherheitsfragen geben? Worin liegen die strategischen Interessen der EU? Sollen letale Waffensysteme in Krisenregionen geschickt werden? Und nicht zuletzt muss auch bedacht werden, dass eine aufgerüstete und kampfbereite EU selbst als Aggressor gesehen werden kann.
  • Energiewende: Energieunabhängigkeit von Russland bedeutet für die EU-Staaten auch Abhängigkeit von ihren eigenen Ressourcen. Und da es (noch) nicht ausschließlich nachhaltig geht, müssen ggf. auch die geschassten Kohle- und Atomkraftwerke wieder ans Netz. Auch die Nahrungsmittelproduktion wird zum Streitpunkt. Dadurch werden bekannte Probleme noch verstärkt: Energiesicherheit vs. Klimaschutz, Umweltschutz vs. Massentierhaltung und chemischen Düngemitteln. Schließlich gibt es noch ethische Abwägungen bei neuen Energie-Partnerschaften mit Arabien, Asien und Nordafrika.
  • Identität: Die Frage nach Verzicht wird aufkommen und auch die Dauerstreitfrage nach der staatlichen Souveränität. Wer als externer Akteur auftreten will, muss intern gefestigt sein. Dafür muss aber auch weitgehend Einigkeit darüber herrschen, was die EU verteidigt, welche Ziele und Bedürfnisse sie hat. 

Diese Fragen muss die Politik beantworten, die Zivilgesellschaft muss zeigen, ob sie damit einverstanden ist. Denn nur, wenn es ein einheitlich Verständnis von „europäisch“ als einer gemeinsamen Identität gibt, wird die EU den Rückhalt haben, um als geopolitischer Akteur auftreten zu können.

Gespräche im Hintergrund laufen auf Hochtouren

Im Hintergrund laufen bereits intensive Gespräche über engere Koordinierungen innerhalb der EU. So hören wir, dass insbesondere im Bereich der Verteidigung neue informelle Plattformen etabliert werden sollen, die die Schaffung eines institutionellen Rahmens für eine koordinierte europäischen Sicherheitspolitik diskutieren und vorbereiten. 

Wichtigste EU-Akteure sind Deutschland, Frankreich und die EU-Kommission. Auch im Rahmen des Weimarer Dreiecks (Deutschland, Frankreich, Polen) finden intensive Gespräche statt. Bei allen Bemühungen stehen aber politische Entscheidungen noch aus. 

Viel Ballast an Bord

Hinderlich sind auch viele alte Probleme. Die Staatsverschuldung in der EU wächst vor allem der Südschiene und Frankreich weiter über den Kopf (vgl. FB vom 14.03.2022). In Osteuropa (Polen, Ungarn, vgl. FD vom 18.02.2022) gibt es ungelöste Rechtsstaatlichkeits-Probleme. Bei der Migration aus Afrika und dem Nahen Osten sind die EU-Mitglieder weiter im Krach. In der Klimafrage stellt die EU Anforderungen, die viele Staaten nicht erfüllen können (vgl. FB vom 03.02.2022).

Fazit: Die aktuelle Einigkeit in der EU wird sich bald wieder in Luft auflösen. Die EU muss ihre Interessen und Ziele definieren. Schon alte Konflikte bleiben aber ungelöst. Die EU hat zwar die Chance, an dem Krieg vor ihrer Haustür zu wachsen. Das Risiko zu scheitern, ist aber groß (vgl. FB vom 07.03.2022).
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