Unternehmen müssen sich auf ESG-Rechtsprechung vorbereiten
Die Etablierung von ESG-Kriterien als Maßstab der Rechtsprechung nimmt Fahrt auf und kann für viele Unternehmen zu einem Risiko werden. Etliche Juristen-Branche sind sich sicher, dass nach der Compliance-Welle Anfang der 2000er Jahre nun mit der ESG-Welle der nächste neue Trend sich Bahn bricht. Hinter dem ESG-Recht versammeln sich einklagbare Ansprüche im Klima-, Umwelt- und Menschenrechts-Schutz.
Revolution in der Juristerei
Losgetreten wird die ESG-Welle durch einen einsetzenden Paradigmenwechsel. Dass Unternehmen für Umweltsünden oder Menschenrechtsverstöße zur Verantwortung gezogen werden können, ist nicht prinzipiell neu. Aber es kommen drei drei Aspekte hinzu:
- die Dichte staatlicher Regularien (Gesetze, Verbote, Verordnungen) nimmt rasant zu.
- die sanktionierbaren Handlungen werden größer und in einem globaleren Rahmen gedacht. Während früher eine konkret-verbotene Handlung vorliegen musste (z. B. ein Unternehmen verpestet einen See), geben Gerichte immer öfter auch abstrakteren Gründen statt (z. B. ein Unternehmen hat mit seinen Emissionen zum Klimawandel beigetragen). Dadurch kann praktisch jedes Unternehmen vor Gericht gezerrt werden.
- Bisher haften Unternehmen nur gegenüber direkt Geschädigten (z. B. gegenüber den Anwohnern des verpesteten Sees). Dieses Prinzip wird derzeit aufgeweicht. Auch Umweltverbände und Menschenrechtsorganisationen treten öfter als Kläger gegen Unternehmen auf.
Vor diesem Hintergrund sind das Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (FB vom 29.04.2021) und das Haager Shell-Urteil (FB vom 31.05.2021) erst der Anfang. Die befragten Experten im Fachmagazin Juve sind sich einig, dass die Auftragsdichte für ESG-Verfahren in den nächsten Jahren stark zunehmen wird. Der Anteil der auf ESG-Aspekte spezialisierte Fachanwälte wächst ebenfalls stark.
Höhere Risiken und mehr Aufwand für Unternehmen
Für Unternehmen bedeutet die Entwicklung, dass die Haftungsrisiken zunehmen. Auch die (Personal-)Kosten steigen und der bürokratische Aufwand erhöht sich. Rechtsabteilungen sollten hinsichtlich ESG fit gemacht werden – entweder durch Fortbildungen oder personelle Aufstockung. Kleinere Unternehmen ohne eigene Expertise sollten sich auf die Suche nach geeigneten Netzwerkpartnern begeben.
Prinzipiell ist es für alle Unternehmen ratsam, regelmäßige ESG-Bestandsaufnahmen zu machen. Wo drohen umweltrechtliche Gefahren? Werden alle emissionsschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten? Halten Zulieferer alle Rechte (z. B. Menschenrechte) ein (Stichwort Lieferkettengesetz)? Da die Frage nach der ESG-Tauglichkeit sich durch immer neue Gesetze und Urteile stetig verschärft, sollten Sie einen Mitarbeiter benennen, der das Thema stetig überwacht. Andernfalls laufen Sie Gefahr nicht mehr hinterherzukommen.
Fazit: Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass der schärfere Fokus bei Anwälten auf ESG-Recht zu deutlich mehr Verfahren führen wird. Die Risiken für Unternehmen steigen deutlich. Darum sollten Sie sich fit für ESG-Recht machen. Das Thema duldet keinen Aufschub mehr.