Streikgeschehen in Europa nimmt Fahrt auf
Während die Streiksaison in Deutschland gerade beginnt, ist sie bei unseren europäischen Nachbarn schon voll im Gange. Während es bei uns noch um Warnstreiks geht, sind es andernorts bereits Generalstreiks. Generell geht es bei den Protesten um Maßnahmen zum Inflationsausgleich. Insbesondere die hohen Energie- und Nahrungsmittelpreise treffen viele Menschen hart. Daneben gehört auch die Arbeitsplatzsicherheit zu einer der Hauptforderungen. Ein Überblick:
- Frankreich: In Paris streikte die Bahn-Gewerkschaft RATP (100.000 Teilnehmer laut Gewerkschaft). Frankreichs größte Gewerkschaft CGT hat dazu aufgerufen, sich branchenübergreifend dem Streik anzuschließen. Den Streik der Raffineriearbeiter musste Präsident Emmanuel Macron vor einem Monat per Dekret beenden (140.000 Teilnehmer).
- UK: Der Flughafen London Heathrow wird vom 18.11. bis 21.11. bestreikt. Ende November wollen 70.000 Angestellte des britischen Hochschulsektors die Arbeit niederlegen. Im Gesundheitssektor (300.000 Angestellte) ist die notwendige Zahl der Unterstützer für einen landesweiten Streik zusammengekommen. Er wird noch vor Ende des Jahres erwartet.
- Belgien: In Belgien wurden am 09.11. ebenfalls die Flughäfen bestreikt. Brüssel strich 60% aller Flüge, am Flughafen Charleroi hob kein einziger Flieger ab.
- Griechenland: Auch dort gehen die Menschen auf die Straße und versammelten sich zu den größten Kundgebungen der vergangenen Jahre (20.000 Protestierende in Athen).
In Deutschland treten die Gewerkschaften in die erste Phase der Warnstreiks. Das gilt für die IG Metall, die GDL und ver.di. An den Warnstreiks der IG Metall beteiligten sich in den vergangenen zwei Wochen laut Gewerkschaft 500.000 Mitglieder. Während Streiks in den vergangenen Jahren eher zurückhaltend eingesetzt wurden, zeigen die Erfahrungen der europäischen Nachbarn, wie sehr sich die Bereitschaft zur Arbeitsniederlegung aufbaut. Die Gewerkschaften selbst verspüren einen enormen Druck seitens ihrer Mitglieder Verhandlungserfolge zu erzielen (FB vom 13.10.2022). Auch koordinierte europäische Aktionen seitens der Gewerkschaften sind im Gespräch.
Regierungen unter Druck
Politisch besonders unter Druck dürften die Regierungen in Spanien und Griechenland stehen. In beiden Ländern stehen im kommenden Jahr Wahlen an. In Großbritannien bleibt die politische Lage auch unter Rishi Sunak – der kaum demokratische Legitimation für sich reklamieren kann, PM ist er nur durch die Wahl innerhalb der Torie-Fraktion geworden – angespannt. Labour pocht vehement auf Neuwahlen. Emmanuel Macron hat Glück, dass Frankreich erst in diesem Frühjahr gewählt hat.
Generell gilt: Der Lohndruck steigt erheblich. Das setzt Unternehmen und Regierungen unter Druck und wird sich auch in den Kosten der Lieferketten festsetzen.