Deutsche Industrie orientiert sich weg von China
Die deutsche Industrie tritt den Rückzug aus China an. Noch ist China - im vorigen Jahr zum sechsten Mal in Folge - wichtigster Handelspartner Deutschlands (FB vom 4.4.22). Das wird sich aber schon bald ändern. Das legen zumindest eine Studie des ifo-Instituts und eine davon unabhängige Befragung der China-AHK nahe.
Etwa 46% der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes beziehen Teile, Halbzeuge oder andere Vorprodukte aus China. Fast die Hälfte dieser Unternehmen plant, den Anteil der Vorprodukte aus China zu reduzieren. Hinzu kommen etwa 44% der Groß- und 55% der Einzelhändler, die ihre Importe aus China ebenfalls reduzieren wollen. Der Anteil der Industriebetriebe, die ihre Importe steigern wollen, liegt hingegen bei nur 4%.
Industrie besonders Abhängig von Chinas Zulieferungen
Gerade die Industriebranchen weisen eine sehr hohe Abhängigkeit von Importen aus China auf. In der Autoindustrie sind es mehr als drei von vier Unternehmen, die Vorleistungen aus China beziehen. In der Computerindustrie 72%, bei elektrischen Ausrüstungen 70%, in der Bekleidungsindustrie 65%, in der Möbelbranche 64%, im Maschinenbau 55%, bei Pharma 52% und Chemie 42%.
In jenen Branchen, die am leichtesten alternative Lieferanten finden können, wollen die meisten Unternehmen ihre China-Importe verringern. Das gilt besonders für die Chemieindustrie, in der 64% ihre Importe reduzieren wollen, aber auch für Gummi- und Kunststoffwaren (54%) und den Maschinenbau (48%). In der Autoindustrie wollen nur 27% der Betriebe neue Zulieferer suchen. 68% der Unternehmen planen keine Änderungen. Hier spielt auch die Bedeutung Chinas als Absatzmarkt eine große Rolle. Die Autohersteller und ihre Zulieferer produzieren dort, wo sie auch verkaufen.
Hauptproblem Transport und Lieferung
Die Neuorientierung weg von China ist vor allem ein Ergebnis der Corona-Krise und der folgenden Lieferprobleme. Aber auch der Ukraine-Krieg spielt eine Rolle. Vier von fünf Unternehmen wollen seine Lieferanten diversifizieren und Abhängigkeiten vermeiden. Fast zwei Drittel beklagen die steil gestiegenen Frachtkosten, über die Hälfte gestörte Lieferketten und fast ein Drittel die gestiegenen Herstellerpreise. 40% beklagen aber auch die politische Unsicherheit.
Um Transport- und Lieferprobleme zu umgehen, wollen 80% der Unternehmen in Zukunft mehr Vorprodukte aus anderen europäischen Ländern einführen. Favorisierte Standorte dürften Osteuropa und ausgesuchte Länder in Südeuropa (z.B. Portugal vgl. FB vom 13.01.2022) sein. Daneben gewinnen Nordafrika und in gewissem Maße auch die Türkei an Attraktivität. Aber auch andere asiatische Länder werden in Betracht gezogen. Gute Chancen gibt es z. B. in Vietnam (FB vom 20.01.22).
Fazit: Die deutsche Industrie orientiert sich zunehmend heraus aus China. Europa und asiatische Länder werden als Standorte für Zulieferteile eine größere Bedeutung bekommen.