Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Die Unternehmensgeschichte auf der Website von ODDO BHF fällt in Form eines Zeitstrahls sehr minimalistisch aus. Den Informationen fehlt der Kontext: „1971 – Bernard Oddo, Urenkel von Camille Gautier, wird Börsenmakler." Man kann nur mutmaßen, dass es sich hier um den Gründer handelt. Zwischen 1997 und 2016 entwickelte sich das Unternehmen durch zahlreiche Übernahmen zur heutigen Gruppe, entnehmen wir der Chronologie. Vielleicht geben die Kennzahlen mehr Substantielles her?
Per 2017 beträgt das verwaltete Kundenvermögen 100 Mrd. Euro, das Eigenkapital liegt bei 844 Mio. Euro und das Netto-Bankergebnis bei 591 Mio. Euro. Das zeigen uns einige Diagramme auf. Wer Näheres wissen will, muss sich durch den „Activity Report" klicken, der sich als DIN lang-Booklet im Browser öffnet und Unternehmensprofil, Vision und die einzelnen Geschäftsbereiche vorstellt.
Die Tetris-Website
Der Internet-Auftritt von ODDO BHF kommt modern, aber nicht unbedingt übersichtlich daher. Als hätte man sich von Windows 10 inspirieren lassen, sind verschiedene Quadrate und Quader gepackt. „Aktuelles" und „News" dominieren, zu den Geschäftsbereichen müssen Besitzer kleiner Bildschirme scrollen. Schneller geht es über das Top-Menü: Dort werden unter „Lernen Sie die Geschäftsbereiche von ODDO BHF kennen" die Abteilungen „Corporates & Markets", „Asset Management" und „Private Wealth Management" vorgestellt. Da „Private Banking" nicht separat aufgeführt ist, versuchen wir unser Glück über „Private Wealth Management".
Über einen Klick auf „Stärken und Leistungen" gelangen wir zu den vier zentralen Bausteinen, die das Haus für vermögende Privatkunden anbietet: „Analyse Ihres Vermögens, Erarbeitung einer geeigneten Steuer- und Rechtsstruktur, Definition Ihres Anlegerprofils, Family Office-Leistungen". Etwas verwirrt sind wir beim Blick auf „Eckdaten": Dort ist von 28 Mrd. Verwaltetem Kundenvermögen die Rede, im Gegensatz zu den 100 Mrd. aus dem Unternehmensprofil. Ob sich das auf den Standort Deutschland bezieht?
Auch der Menüpunkt „Unser Ansatz" weckt unser Interesse. Dort verspricht die Bank einen „maßgeschneiderter Ansatz auf der Grundlage hochwertiger Beratungsdienstleistungen" und „vollständige Transparenz im Hinblick auf Performance, Risiken und Kosten". Individuelle Lösungen und Transparenz – das wünschen wir uns von unserem Vermögensverwalter und greifen, auch wenn uns der gesamte Auftritt etwas vage und im Wortsinn „zusammengewürfelt" erscheint zum Telefonhörer, um einen Termin zu vereinbaren. Getreu dem Motto: Don't judge a book by its cover.
Der Kunde und sein Anliegen
Ein sehr enger Freund unseres bereits in den siebziger Jahren früh verstorbenen Vaters wanderte einst nach Südafrika aus. Eigene Nachkommen hatte er nie, wir haben nie wieder von ihm gehört. Aufgrund der Nähe zu unserem Vater hat er dennoch im Nachlass verfügt, dass dessen Nachkommen einen Teil seines beträchtlichen Vermögens bekommen sollen.
Diese Summe möchten wir nun gut anlegen und die Hälfte – einen Anlagebetrag von einer Million Euro – in ein Vermögensverwaltungs-Mandat geben. Die andere Hälfte möchten wir liquide halten, um damit unsere eigen volljährige Tochter zu unterstützen, etwa im Fall eines Immobilienerwerbs.
Wenig kundenorientiert
Der Erstkontakt gestaltet sich ausgesprochen kurz. Ein Berater werde uns zurückrufen, erklärt man uns knapp, ohne einen konkreten Termin zu nennen. Bleibt also nur Abwarten.
Die genau einwöchige Wartezeit entspricht nicht unserem Verständnis von „Interesse am Kunden". So beschleicht uns das Gefühl, dass wir für die BHF als Kunde nicht so richtig interessant sind – und dabei weiß die Bank noch gar nichts über unser Anliegen. Schließlich erhalten wir den ersehnten Rückruf, und die Terminvereinbarung kommt für vier Tage danach zustande.
Unsere Situation wird vom Berater am Telefon nicht näher erfragt. Wir bekommen gleich angekündigt, dass wir nicht mit einer Terminbestätigung per Mail rechnen können: das sei zu kurzfristig. (Vier Tage reichen nicht aus, um eine Standardmail mit Bestätigung oder Kalendereintrag und vielleicht einer Anfahrtsskizze – bei vielen Häusern üblich – zuzusenden?). Als „kundenorientiert, unternehmerisch, vertrauenswürdig", wie es unter „Unser Ansatz" auch hieß, empfinden wir das telefonische Gespräch jedenfalls nicht.
Das Gespräch mit dem Berater/den Beratern vor Ort
Das Gebäude von ODDO BHF befindet sich in der Innenstadt von Stuttgart. Die ist zwar überschaubar, aber dennoch ist der Firmensitz nicht so einfach zu finden, weil die Hausnummer nicht ins Auge fällt. Eine Anfahrtsbeschreibung bzw. ein Lageplan hätten eindeutig geholfen...
Erst nach der kleinen Schnitzeljagd wird es endlich ein bisschen freundlicher. Unsere Ansprechpartnerin aus dem Telefonat empfängt uns an der Tür und bringt uns in den Besprechungsraum. Dort kommt unser Berater hinzu, dem wir hier erstmals begegnen und über den wir auch noch nichts wissen.
Viel Eigenmarketing, wenig Konkretes
Der Beratungstermin beginnt mit der Aushändigung einer personalisierten, 32 Seiten starken Broschüre. Zur Einführung erklärt man uns den Aufbau des Unternehmens. Gut, über den haben wir uns ja schon belesen, schaden kann es trotzdem nichts.
Die Gesprächsatmosphäre ist freundlich und entspannt. Trotzdem macht sich bei uns rasch Enttäuschung breit. Denn „personalisiert" erschöpft sich in der Nennung unseres Namens auf dem Titelblatt. Ansonsten fällt das, was wir präsentiert bekommen, unter die Abteilung „Marketing". Kunde im Mittelpunkt? Fehlanzeige. Es geht im gesamten Gespräch sehr viel um das Bankhaus ODDO BHF und für unser Empfinden zu wenig um unsere Anliegen, Ziele und Wünsche.
So lernen wir detailliert das Dienstleistungsspektrum kennen, wovon uns der Großteil überhaupt nicht betrifft. Wir sind hier, weil wir uns für eine Vermögensverwaltung interessieren – kann die Bank uns konkrete Vorschläge machen? In Anlagedingen unerfahren, wünschen wir uns hier durchaus etwas Führung und Aufklärung über das, was bei welchem Risiko an Rendite machbar ist.
Nur wenig Licht im Dunkel
Immerhin unsere Risikobereitschaft versucht die Bank zu ermitteln. Dabei gehen die Berater auch auf unsere privaten Verhältnisse und unsere Geschichte ein. Das ist gut, aber hätte sie hier im Vorfeld versucht, einen ersten Eindruck zu bekommen, hätte sie uns wesentlich gezielter begegnen können. Stattdessen werden wir mit einer Menge für uns zumindest in diesem Stadium wenig relevanter Information erschlagen: Währungsmanagement & Eurex-Optionsgeschäften ist z.B. jeweils eine Seite der Präsentation gewidmet. Einen roten Faden können wir in dieser ohnehin nicht entdecken.
Erst auf den jeweils letzten Seiten der Bereiche „ODDO BHF Trust Vermögensverwaltung" und „Weitere Dienstleistungen" finden wir etwas, dass uns eventuell weiterbringen könnte: Offenkundig hat die Bank, wie viele andere Häuser, vorab geschnürte Pakete, nämlich „Rendite", „Renditeorientiert", „Aktien/Renten", „Aktienorientiert" und „Aktien".
Winzige Kreisdiagramme illustrieren dabei die Portfolioallokation nach Aktien, Anleihen und Geld/Währung. Wollten wir eine genaue prozentuale Angabe, müssten wir anhand der Diagramme, die kleiner sind als ein 1-Cent-Stück, schätzen. Zusätzlich weist die Seite tabellarisch die Rendite für Zwölf-Monats-Zeiträume seit 2013 aus – nicht aber das Verlustrisiko.
Ob es innerhalb dieser Aufteilungen individuelle Spielräume gibt? Dazu erfahren wir – nichts. Und gehen aus dem Gespräch wie Faust aus dem Studium: Wir sind so klug als wie zuvor.
Die Betreuung nach dem Gespräch
Die ist schnell zusammengefasst, weil nicht existent. Aber das beruht auch auf einem Fehler unsererseits. ODDO versucht mehrfach, uns telefonisch zu erreichen und spricht auf unsere Mailbox. Doch wir sind verreist, was wir nicht angegeben hatten, und melden uns nicht zurück. Deswegen wird uns auch kein Anlagevorschlag ausgearbeitet. Allerdings hätte die Bank es auch per E-Mail versuchen können ... Und dass wir kein Gesprächsprotokoll erhalten, ist damit auch nicht entschuldigt.
HINWEIS: Dieses Bankenporträt beruht auf den Eindrücken aus einem individuellen Erstberatungsgespräch, das ein zuvor geschulter Testkunde durchgeführt hat. Die wiedergegebenen Eindrücke wurden während des Gesprächs oder unmittelbar danach schriftlich protokolliert. Subjektive Wahrnehmungen lassen sich nicht ausschließen. Der Testkunde hat sich zur Neutralität gegenüber dem getesteten Institut verpflichtet. Die Bewertung wurde nach einem festen Schema vorgenommen, das die Private Banking Prüfinstanz erstellt hat. Es beruht auf der jahrelangen – wissenschaftlich untermauerten – Beschäftigung mit dem Thema Beratungsqualität im Private Banking durch die Private Banking Prüfinstanz, Dr. Richter | IQF und Ralf Vielhaber | Verlag FUCHSBRIEFE.
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WISSENSWERTES
Gesellschafter der ODDO BHF Aktiengesellschaft ist zu 100% Oddo & Cie. Gegen Vermögensschäden ist sie bei D&O bis zu einer Höhe von 5 Mio. Euro haftpflichtversichert . Inklusive Family Office bietet sie alle gängigen Dienstleistungen an, lediglich eine Cross-Border-Vermögensberatung schließt sie trotz ihrer eigenen grenzüberschreitenden Tätigkeit aus.
Ihr Alleinstellungsmerkmal definiert die Bank so: „Als echte Privatbank unterscheiden wir uns vom Wettbewerb durch unsere lange Erfahrung in der Beratung von Familienunternehmern sowie unsere Innovationsfähigkeit und Professionalität bei der Entwicklung markt- und kundengerechter Produkte und Dienstleistungen. Im Gegensatz zu regionalen Privatbanken haben wir die Größe, unsere Unternehmerkunden auch international zu begleiten." Die Bank setzt den Schwerpunkt also auf Internationalität, nicht auf regionale Präsenz, wie viele andere Häuser. Daran ist nichts Nachteiliges. Aber wir sind wieder einmal verwirrt, denn warum ist dann gerade Cross-Border-Vermögensberatung kein Thema für die Bank?
30 Kunden pro Berater
Die Anzahl der betreuten Kunden gibt die Bank mit rund 2.000 an, wobei auf einen Berater ca. 30 Kunden kommen. Der Einstiegsbetrag für eine individuell ganzheitliche Vermögensberatung beträgt eine Mio. Euro und werde, so die Bank, „streng eingehalten".
Bei Aktien und Renten betreibt ODDO BHF Eigenresearch und greift zusätzlich auf Fremdresearch zurück, für alles andere arbeitet sie ausschließlich mit verschiedenen externen Research-Häusern. Der Anlagefokus, so die Bank, liege auf „transparenten Direktinvestments in Aktien und Renten", ausgewählte Fonds und ETF erwerbe man „nur für Spezialthemen bzw. mit ausdrücklicher Zustimmung der Kunden". Eigene Produkte stelle man nur dann her, wenn es kein geeignetes Produkt für ein bestimmtes Anlageziel am Markt gebe oder die vorhandenen Optionen den Qualitätsanforderungen des Hauses nicht gerecht würden.
Die Kosten für die Verwaltung verschiedener Anlagebeträge und Risikostrukturen teilt ODDO BHF nicht mit. Wir erfahren jedoch, dass man neben vereinzelten performanceabhängigen Vergütungsmodellen überwiegend All-in-Fee-Vereinbarungen trifft, da diese „dem Kunden ein Höchstmaß an Transparenz" bieten, zuzüglich etwaiger Zusatzkosten und MwSt.
Adresse der Bankniederlassung / Webseite
Kleiner Schlossplatz 13, 70173 Stuttgart, Deutschland
http://www.oddo-bhf.com
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Vermögende wollen gut beraten werden. Ebenso wichtig ist aber, dass das anvertraute Kapital solide verwaltet und vermehrt wird. Der Markt der Vermögensverwaltung ist intransparent. Getreu unserem Motto „Wir machen Qualität transparent" verfolgt das Performance-projekt der Private Banking Prüfinstanz genau dieses Ziel.
Die Bank nimmt noch nicht am Performance-projekt der FUCHS|RICHTER Prüfinstanz teil.
ODDO BHF gibt selbst an innerhalb der letzten drei Jahre in Verfahren oder Rechtsstreitigkeiten mit Private Banking Kunden verwickelt gewesen zu sein. Dabei geht die Bank nicht weiter ins Detail. Obwohl sie unseren Transparenzfragebogen teilweise aus füllt, bewegen uns die fehlenden Informationen dazu die Vertrauensampel noch nicht auf Grün zu schalten.
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Fazit
Oddo hinterlässt gemischte Gefühle bei uns. Fachlich nehmen wir durchaus einen stellenweise guten Eindruck mit. Doch vor allem in den Abläufen hakt es mehr als einmal. Das reicht von der langen Wartezeit auf einen Rückruf bis zum fehlenden Gesprächsprotokoll und dem Versäumnis, uns per E-Mail für eine Nachfrage zu erreichen. Zudem empfinden wir die Fokussierung auf das Eigenmarketing im Gespräch als unangemessen. Andererseits machen wir auch den Fehler, unsere Abwesenheit nicht kommuniziert zu haben und sind für die Nachbetreuung nicht erreichbar. Deshalb enthalten wir uns einer Gesamtwertung und stellen die Qualifikations-Ampel auf neutral (weiß).
HINWEIS: Die erreichte Gesamtpunktezahl sowie den Vergleich mit rund 100 weiteren Anbietern lesen Sie im November in „TOPs 2019".