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Moskau baut die Energiewirtschaft strategisch um

Deutsche Energiewende braucht Russland

Basilius Kathedrale am Roten Platz © ULMER / Michael Kienzler / picture alliance
Die Beziehungen zwischen Russland und der EU erreichen im Zuge der Ukraine-Krise einen neuen Tiefpunkt. Dieser kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU und ganz besonders Deutschland zur Erreichung der Klimaziele auf Russland angewiesen sind. Auch Moskau weiß das - und steuert in der Energiepolitik bereits strategisch um.

Russlands Energiewirtschaft wird im kommenden Jahrzehnt grundlegend in Richtung Wasserstoff umgebaut. Moskaus Ziel ist es, die eigene Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten zu verringern. Erdgas wird zwar vorerst noch als Übergangstechnologie gebraucht (vgl. FB vom 20.01.2022). Langfristig will Europa aber weg von den fossilen Energien und damit auch vom heute noch begehrten Gut aus Russland. 

Wasserstoff wird neuer Exportschlager aus Moskau

Moskaus neuer Exportschlager soll Wasserstoff werden. Dieser wird zuerst noch mit dem eigenen Erdgas hergestellt (blauer Wasserstoff). Perspektivisch soll die russische H2-Produktion aber mit erneuerbaren Energien gestemmt werden  (grüner Wasserstoff).

Im vergangenen Jahr hat Moskau für die russische Wasserstoff-Wirtschaft wichtige Weichen gestellt. Im Oktober kündigte der Kreml an, bis 2024 Subventionen im Volumen von 110 Mio. Euro für die Wasserstoffwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Im Dezember wurde Vizepremierminister Alexander Nowak mit der Erstellung einer nationalen Wasserstoffstrategie beauftragt. 

Wasserstoff-Exporte in alle Himmelsrichtungen

Regional wurden drei Gebiete auserkoren, in denen die Wasserstoffproduktion stattfinden soll. Sie liegen in der Region St. Petersburg / Leningrad, auf der Halbinsel Jamal in Sibirien und auf der fernöstlichen Insel Sachalin. Damit kann der begehrte Wasserstoff per Schiff und Pipeline in alle Himmelsrichtungen geliefert werden.

Schon 2024 soll der Export bei 200.000 t Wasserstoff pro Jahr liegen. Dieser wird dann bis 2035 weiter steigen auf 2 bis 12 Mio. t pro Jahr. Im Jahr 2050 soll der Export dann zwischen 15 und 50 t pro Jahr liegen. Der deutsche Wasserstoffbedarf dürfte laut Prognosen von McKinsey im Jahr 2050 bei etwa 12 bis 15 Mio. t liegen. Aus eigener Kraft wird Deutschland diesen Bedarf nicht decken können. Auch mit den bisher bestehenden ausländischen Wasserstoff-Partnern wird es nicht gelingen (vgl. FB vom 26.11.2021). Deutschland wird seinen Wasserstoff-Importe somit global breit diversifizieren müssen. 

Russland braucht eine Wasserstoff-Industrialisierung

Um die eigene Wasserstoff-Ziele zu verwirklichen, muss Russland vor allem seinen Technologie-Rückstand aufholen. Nicht nur die Produktionsanlagen sind veraltet (oder schlichtweg noch nicht vorhanden). Auch die Erneuerbaren Energien, die für den begehrten grünen Wasserstoff benötigt werden, müssen in Russland erst noch errichtet werden. 

Aktuell liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien am russischen Strommix im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Bisher bremste das Land die Installation entsprechender Anlagen massiv aus, um die Geschäfte der eigenen Konzerne (Gazprom, Rosneft usw.) nicht zu gefährden. Wer über das Land fliegt oder hindurch fährt, weiß das. Sie können stundenlang unterwegs sein, ohne ein einziges Windrad oder eine PV-Anlage zu sehen. 

Deutsche Industrie-Partner willkommen

Deutsche Wasserstoff-Partner sind in Russland sehr willkommen. Novatek, das größte private russische Energieunternehmen, unterzeichnete Vereinbarungen mit RWE zur Produktion von blauem Wasserstoff auf Jamal. Mit Uniper wurde eine Absichtserklärung zur Lieferung von Wasserstoff unterzeichnet. Die Deutsch-Russische Außenhandelskammer hat eine eigene „Initiativgruppe Wasserstoff“ ins Leben gerufen, die sich politisch für die Schaffung einer deutsch-russischen Wasserstoffallianz (so wie es sie schon mit Ländern wie Australien oder Saudi-Arabien gibt, vgl. FB vom 12.11.2021) einsetzt.

Gute Geschäfte dürften auch Unternehmen machen, die Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien errichten können. Das Potenzial für Windräder und PV-Anlagen ist in Russland teilweise sehr hoch, Flächen sind vorhanden. Wir erwarten, dass auch der politische Wille in Moskau noch wachsen wird. 

Wasserstoff-Partnerschaft in Aussicht gestellt

Die deutsche Politik setzt Wasserstoff zudem als Lockmittel ein, um auf eine Deeskalation in der Ukraine hinzuarbeiten. Denn klar ist, dass Deutschland und Europa auf Energie (Gas, Wasserstoff) aus Russland angewiesen ist – genauso ist aber auch Russland auf die harten europäischen Devisen angewiesen. „Natürlich hätte Russland Potenziale für Wasserstoff, für Windkraft. Aber das ist eben an Voraussetzungen gebunden“, erklärte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck zuletzt. 

Der deutsch-europäische Vorteil ist, dass es noch genug Zeit gibt, um Lieferantenbeziehungen zu anderen Ländern abseits Russlands aufzubauen. Ausgerechnet in Kiew solle laut Außenministerin Annalena Baerbock ein Büro für Wasserstoff-Diplomatie errichtet werden.

Ohne Nachhaltigkeit keine Investitionen

Neben den ökonomischen und politischen Beweggründen, dürfte der russische H2-Schwenk auch finanzielle Überlegungen haben. ESG-Kriterien werden immer wichtiger, um auf den internationalen Finanzmärkten Kapital einzusammeln. Investoren wollen es nachhaltig - das können die fossilen russischen Staatsunternehmen bisher nur selten liefern. Die Wasserstoff-Strategie dürfte auch hier Abhilfe schaffen.

Fazit: Europa und Russland haben wichtige gemeinsame wirtschaftliche Interessen, die sie zum gegenseitigen Vorteil im Energiesektor verfolgen können. Finden sie einen gemeinsamen Weg, wird das den Frieden sichern, Wohlstand und Wachstum bringen und die Einhaltung von Klimazielen fördern.

Hinweis: Die Deutsch-Russische Außenhandelskammer hat eine „Initiativgruppe Wasserstoff“. Das Potenzial für Windräder und PV-Anlagen ist in Russland teilweise sehr hoch, Flächen sind vorhanden. Wir erwarten, dass auch der politische Wille in Moskau noch wachsen wird.

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