Migration und Integration in der Ära nach Merkel
Steuerung und Qualifikation statt Chaos und offene Grenzen – das ist die große Linie der künftigen Migrations-Politik. Das Thema bekommt gerade durch Afghanistan wieder Bedeutung für den Wahlkampf. Der neuen Regierung wird es darum gehen, ihren Rückhalt in der Bevölkerung zu stärken. Mit einer liberalen Haltung beim Reizthema Migration ist das nur schwer möglich. Dass der weltweite Migrationsdruck weiter steigt, ist angesichts eines harten EU-Grenzregimes und Rücknahmeverträgen mit Herkunftsstaaten unerheblich.
Hardliner Laschet
In Nordrhein-Westfalen hat sich Landesvater Armin Laschet – der ja bekanntlich Bundeskanzler werden will – als Asyl-Hardliner gezeigt. An Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan hielt Laschet (mit Unterstützung der NRW-FDP zu der auch Christian Lindner gehört) trotz Taliban-Terror bis zuletzt fest. 2.805 Personen wurden im Jahr 2020 aus NRW abgeschoben – deutlich mehr als in jedem anderen Bundesland. Zwar sind Abschiebungen Sache der Länder und nicht des Bundes. Allerdings zeigt Laschets Handeln, welche Haltung er in diesen Fragen vertritt.
Auch im Wahlprogramm der CDU finden sich Forderungen nach einem härteren Migrationsregime. Asylbewerber, die einer Behörde nachweislich Falschaussagen (etwa Alter, Name, Herkunft) treffen, sollen stärker sanktioniert werden. Abschiebungen werden weiter, wo möglich, durchgesetzt. Asylverfahren sollen durch die Digitalisierung der Behörden effizienter werden. Allerdings will die Union die qualifizierte Zuwanderung in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt stärken.
Grüne haben sich von "linker" Migrationspolitik verabschiedet
Dem gegenüber stehen die potenziell mitregierenden Grünen. Diese vertreten bekanntermaßen eine liberale Auffassung in Sachen Migration. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass sie in einer Schwarz-Grünen Koalition das Innenministerium besetzen und damit auch das Asyl-Ressort übernehmen werden. Eine eigenes Migrationsministerium, wie zuletzt von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ins Spiel gebracht, wird es nicht geben. Auch in ihrem im November beschlossenen Grundsatzprogramm (vgl. FB vom 23.11.2020) wurden zahlreiche liberale Asyl-Formulierungen aus der Erstfassung gestrichen. Die Grünen wissen, dass ihre liberale Haltung im Wahlkampf zur Stolperfalle hätte werden können. Schon allein deshalb, weil so die von der CDU gewonnenen Wählerstimmen verloren gehen könnten.
Im Wahlprogramm der Grünen findet sich die Forderung nach einem modernen Einwanderungsgesetz. Dieses soll die bürokratischen Hürden des Einwanderungsverfahrens abbauen und den schnelleren Zugang von Einwanderern in den Arbeitsmarkt fördern. Das Bundesministerium für Migration (BAMF) soll personell aufgestockt werden, um effizienter Verfahren bearbeiten zu können. Auch fordern sie EU-geführte „Registrierungszentren“, in denen geprüft werden soll, ob Neuankömmlinge in ihren Heimatländern strafrechtlich bekannt sind, um zu wissen, „wer zu uns kommt.“ Damit sind die Grünen bereits deutlich von ihren „Offene-Grenzen“-Forderungen aus 2015 zurückgerudert. Harte Reibungspunkte zur Union gibt es nicht.
Asyldruck steigt
Die Anzahl der weltweit Vertriebenen nimmt indes weiter zu. Laut UNHCR (Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen) hatten 2020 insgesamt 82,4 Mio. Menschen einen Flüchtlingsstatus. Im Jahr 2015 waren es noch 65 Mio. Hotspots für Flüchtlinge sind nach wie vor der Nahe Osten, Afghanistan, noch verstärkter als 2015 Afrika und auch Lateinamerika.
Trotz eines steigenden Migrationsdruck, geht die Aufnahme von Flüchtlingen europaweit zurück. In Deutschland sind im 1. Halbjahr 2021 bereits 81.284 Asylanträge gestellt worden. Das ist in etwa auf dem Niveau vor der Pandemie. Das Verhältnis zwischen Erst- und Folgeanträgen gleicht sich dabei immer weiter an. Drei Erstanträgen auf Asyl stand zuletzt ein Folgeantrag entgegen. Im Krisenjahr 2015 war das Verhältnis noch bei 13:1, im Jahr 2019 immerhin noch bei 6:1. Die Zahl der Neuankömmlinge geht also zurück. Die meisten Anträge werden von Flüchtlingen aus Syrien gestellt (44,9%), gefolgt von Afghanen (12,9%) und Irakern (8,6%).
Fazit: Alle Parteien bekennen sich zum Grundrecht auf Asyl. Aber niemand will, dass sich der Sommer 2015 wiederholt. Lediglich Linke (und in Teilen die SPD) setzen sich für eine stärkere auch unqualifizierte Zuwanderung aus humanitären Gründen ein.