Parteien in Personalnot
Das Lavieren von Franziska Giffey (SPD) in Berlin nach der verlorenen Wiederholungswahl zum Senat zeigt den politischen Fachkräftemangel wie unter einem Brennglas. Giffey überlegt weiterhin, den R2G-Senat fortzuführen. Sie liebäugelt aber auch mit einer Koalition mit der Berliner CDU. Die Hauptsache scheint zu sein, dass sie weiterhin einen für sie attraktiven Posten hat.
Berliner SPD zeigt personelle Alternativlosigkeit an
Ein Brandbrief aus der SPD legt den Finger in die Wunde. Die Hauptstadt-SPD sei „intellektuell ausgebrannt“, so der Anwalt und Ex-Abgeordnete Andreas Köhler (SPD) in einem Papier an seine Partei. Das Spitzenpersonal sei „durchsetzungsschwach“ und ein „Totalausfall“. Soweit die zutreffende Analyse. Die paradoxe Schlussfolgerung Köhlers, der Giffey zuletzt juristisch verteidigt hatte: "Giffey muss weitermachen", es gebe schlicht keine Alternativen.
Personelle Alternativlosigkeit als Job-Garantie - dieses Problem ist auch auf der Bundesebene virulent. Auch hier fehlt es an charismatischen und bekannten Köpfen, insbesondere in der zweiten Reihe. Die Bundes-SPD wird in zwei Jahren erneut mit anhaltend blassen Bundeskanzler Olaf Scholz die Bundestagswahl bestreiten (müssen). Weit hinter ihm stehen Verteidigungsminister Boris Pistorius und SPD-Parteichef Lars Klingbeil.
FDP kämpft ums Überleben, Grüne noch auf der Erfolgswelle
Am gravierendsten ist der Personalnotstand in der FDP. Finanzminister Christian Lindner ist seit 2013 ihr Vorsitzender. Bei den Bundestagswahlen 2017 und 2021 hat er seiner Partei gute Ergebnisse von 10,7% und 11,5% beschert. Die aktuellen Wahlergebnisse bei den Landtagswahlen sind jedoch katastrophal. Die FDP rutscht wieder bedrohlich in Richtung 5%-Hürde. Sie muss in der verbleibenden Ampel-Zeit um ihr Überleben kämpfen. Ein Zeichen dafür ist der über Briefe ausgetragene Streit mit Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne). Das FDP-Problem: Sie hat überhaupt keine bekannte zweite Reihe.
Der Wahlerfolge der Grünen kaschieren noch ihre Personalnot. Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck sind die wichtigsten Gesichter der Partei. Die Parteispitze (Ricarda Lang, Omid Nouripour) noch halbwegs bekannt. Dahinter wird es aber auch bei den Grünen personell dünn. Und die Partei hat ein programmatisches Problem: Dreht der Wind in den Umfragen, sinkt die Zustimmung bei Wahlen, werden die Flügelkämpfe (Fundis gegen Realos) wieder aufbrechen.
Friedrich Merz ist die unbequeme Zwischenlösung
Auch die Union ist nach Angela Merkel entkernt. Sie hat mit Friedrich Merz allenfalls eine personelle Zwischenlösung gefunden. Sollte Merz Kanzlerkandidat für die Bundestagswahlen 2025 werden und diese sogar gewinnen, wäre er zum Amtsantritt 70 Jahre alt (der zweitälteste Kanzler nach Konrad Adenauer). Wie schwer es sein dürfte, dann einen Nachfolger für ihn zu finden, hat der dreifache Wechsel des Parteivorsitzes seit Merkel gezeigt. Auch die CSU hat bislang keinen aussichtsreichen Nachfolger für Markus Söder.