Ausblick: Frankreich nach den Präsidentschaftswahlen
Nach seiner Wiederwahl wird er sein Herzensthema Europa wieder auf der Agenda nach oben schieben. Wir hatten Sie auf diese Perspektive bereits früh hingewiesen (vgl. FB vom 07.06.2022), nun nimmt sie immer schärfere Konturen an. Folgende Gründe sprechen dafür:
- Der Ukraine-Krieg führt zu einer Debatte um die Neuausrichtung der Europäischen Union.
- Mit der Ampel-Koalition kann Macron nun mit mehr Schützenhilfe aus Berlin rechnen, als noch in den Merkel-Jahren zuvor.
- Die Amtszeit des französischen Präsidenten ist auf zwei aufeinanderfolgende Legislaturperioden begrenzt. Macron muss sich also nicht mehr um etwaige Wiederwahlen fürchten. Das spricht dafür, dass er künftig weniger darauf bedacht sein wird, einen (innenpolitischen) Interessenausgleich schaffen zu wollen.
Verteidigung und Finanzen im Fokus
Besondere Aufmerksamkeit wird Macron in den nächsten Jahren auf die Verteidigungspolitik legen. Er wirbt seit Jahren für die Schaffung einer europäischen Armee. Zu Beginn der französischen Ratspräsidentschaft - noch vor der Ukraine-Invasion - preschte Frankreich mit der Ausarbeitung eines "Strategischen Kompasses" vor. Dieser Kompass wird ein zentrales Dokument über die sicherheitspolitische Ausrichtung der EU in den kommenden Jahren. Auch die Schaffung einer 5.000 Mann starken EU-Einsatztruppe ist geplant. Macron wird diese ersten sicherheitspolitischen Integrationsschritte vorantreiben.
Zweites großes Thema der berühmten Sorbonne-Rede Macrons war der Bereich Finanzen. Vor allem hier wurde er von Ex-Kanzlerin Merkel "abgebügelt". Macron sprach sich für eine europäische Finanztransaktionssteuer, mehr Kompetenzen der EU in Steuerfragen bis hin zur Schaffung eines EU-Finanzministers aus. Auch die dahinterstehende Debatte um die Vergemeinschaftung von Schulden wird weiter aufflammen (vgl. FB vom 14.03.2022). Der Widerstand aus Berlin dürfte bei einem erneuten Anlauf weitaus geringer ausfallen.
Person statt Inhalte im Wahlkampf
Innenpolitisch steht ein neuer Anlauf seiner bereits einmal gescheiterten Rentenreform zur Debatte. Zudem kündigte Macron an, die Erbschaftsteuer reduzieren zu wollen und ein Existenzminimum von 1.000 Euro p. M. zu etablieren. Ansonsten lästern die Kritiker, dass das eher dünne Wahlprogramm "zusammengeschustert" sei. Die republikanische Kandidatin Valerie Pécresse wirft ihm sogar vor, von ihr abgeschrieben zu haben.
Doch Macron setzt im Wahlkampf nicht auf Inhalte, sondern auf seine Person selbst. Dabei spielt ihm in die Hände, dass sich die republikanische Kandidatin mit umstrittenen Auftritten selbst "zerlegt" hat und Frankreichs Rechte wegen ihrer Russland-Beziehungen in Erklärungsnöte gerät. Frankreichs Linke zuckt in den Umfragen in Form des Populisten Jean-Luc Mélenchon - gefährlich wird er Macron aber nicht. Frankreichs Europaminister Clément Beaune erklärte, dass für die nächsten fünf Jahre vor allem die "nationale Einheit, die der Staatspräsident verkörpert", wichtig sei. Macrons Devise: L'État, c'est moi! – Der Staat, das bin ich!
Nochmal zum nachlesen ...
FUCHSBRIEFE berichten fortlaufend über französische Politik. Während 2020 Macrons Stuhl noch heftig wackelte, sitzt er derzeit fester denn je im Sattel. Unsere Prognosen sind seitdem recht zielgenau eingetroffen. Wir haben für Sie die Artikel nochmal zum nachlesen aufgelistet:
- 03.12.2020: Macrons Stuhl wackelt
- 07.06.2021: Rechtsdrall in der Grand Nation
- 05.08.2021: EU: Vorerst Führungslos
- 04.10.2021: Wahlkampf um den Élysée-Palast nimmt Fahrt auf
- 02.12.2021: Frankreichs Rechte teilt sich auf
- 06.01.2022: Macron hofft auf Le Pen
Fazit: Nach Macrons Wiederwahl wird es für Europa neue Impulse geben. Innenpolitisch sind im protestfreudigen Frankreich Unruhen zu erwarten. Macron wird in seiner zweiten und vorerst letzten Amtszeit wenig Rücksicht darauf nehmen. Medien bezeichneten ihn zuletzt als zunehmend arrogant und royalistisch. Diesen Stil eines kleinen Sonnenkönigs wird er fortsetzen.
Hinweis: Interessant wird die Wahl in fünf Jahren. Nach dem Ausscheiden Macrons wird wohl auch seine Partei En Marche wieder verschwinden. Marine Le Pen wird es vermutlich wieder probieren. Es wird zu beobachten sein, ob sich bis dahin ein mehrheitsfähiger Mitte-Kandidat finden wird.