Konjunktur: Zwischen Hoffen und Bangen
Das Jahr 2022 geht mit wachsenden Hoffnungen zu Ende. Es sind die Hoffnungen darauf, dass die Konjunktur nicht tief in die Knie gehen wird. Diese Hoffnungen werden vor allem durch die Entwicklung der US-Konjunktur angefeuert. Die hält sich relativ robust. Inzwischen gehen einige Beobachter sogar davon aus, dass die US-Wirtschaft nicht einmal in die Rezession rutschen, sondern 2023 und 2024 mit moderaten 0,5% wachsen wird.
US-Konsumenten entscheiden über Rezession
Die Schlüsselrolle in den USA haben die Konsumenten. Von ihrem Einkaufsverhalten wird abhängen, ob und wie tief die US-Wirtschaft abrutscht. Die aktuellen Daten machen Mut. Denn die Arbeitslosigkeit ist weiter gering, Fed-Chef Jerome Powell ist der Meinung, dass der US-Arbeitsmarkt noch lange eng bleiben wird. Das spricht für eine starke Lohnentwicklung, die auch die in den USA von den Energiepreisen getriebenen Inflation abfedert. Es bleibt noch abzuwarten, wie die US-Wirtschaft die weiteren Zinsschritt der US-Notenbank verkraften wird. Aber die Chance auf eine sanfte Landung existiert noch.
Hoffen auf China
Eine zweite Konjunktur-Hoffnung gedeiht in China. Dort hat die Regierung ihre Abkehr von der strikten Null-Covid-Politik eingeläutet. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass die Wirtschaft im Reich der Mitte wieder in Schwung kommt, Produktion, Nachfrage und internationale Lieferketten wieder besser eingerenkt werden. Davon dürften viele deutsche Unternehmen zügig profitieren, denn die Verflechtungen ins Reich der Mitte haben in den vergangenen Jahren massiv zugenommen.
Eng mit China verbunden ist die Wachstumsregion Südostasien. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert Indien, den Philippinen und Vietnam ein Wirtschaftswachstum von über 6% im kommenden Jahr. Indonesien kann mit einem Plus von 5% rechnen, Thailand immerhin 4%. Die Bedeutung der Region als Motor für die Weltwirtschaft wächst massiv.
Europa vor der Stagflation, aber Mittelstand resilient
Europa wird dennoch eine Stagflations-Phase erleben. Die Inflationsraten werden - getrieben von den Energie- und Rohstoffpreisen und steigenden Löhnen - hoch bleiben. Zugleich steht der alte Kontinent am Anfang einer Rezession. Das glauben inzwischen alle Wirtschaftsforschungsinstitute, die ihre Einschätzungen teilweise deutlich nach unten angepasst haben. Besonders negativ betroffen sind energieintensive Branchen, aber auch der Bau (Zinsen).
Aus den deutschen Unternehmen gibt es trotz der angespannten Lage aber immer wieder gute Nachrichten. So ist der Auftragseingang in der deutschen Industrie zuletzt um 0,8% gestiegen. Auch die Zahl der Unternehmen, die sich akut existenziell bedroht sehen, bleibt konstant (akt. 7,9% laut ifo).
Welthandel wächst weiter
Ermutigend ist auch die Entwicklung des Welthandels. Der hat - trotz aller Corona- und Ukraine-Beschränkungen - weiter zugenommen. Die Welthandelsorganisation WTO erwartet für 2022 ein Wachstum von 3,5%. In den vergangenen beiden Jahren ist vor allem der Handel mit Dienstleistungen (Handel mit Daten, geistigem Eigentum) besonders stark gewachsen. Das zeigt eine Studie des Unternehmensberaters McKinsey, der zufolge alleine die weltweiten Datenströme jedes Jahr um fast 50% zugenommen haben.
Zudem konzentrieren sich viele Länder zunehmend auf bestimmte Forschungsbereiche. China hat weltweit den größten Anteil der FuE-Ausgaben in den Bereichen Chemie, elektrische Ausrüstungen, Maschinenbau und sonstiger Fahrzeugbau. Die USA erreicht in den Sektoren Pharma und Computer/ Elektronik den Spitzenplatz. Deutschland ist Forschungsweltmeister bei Autos. Frankreich, Italien, Südkorea und Japan liegen in allen Bereichen im Mittelfeld.
Verflechtung nimmt zu
Die gegenseitige Abhängigkeit der Regionen und deren Verflechtungen nehmen dadurch zu. Inzwischen überschreitet mehr als die Hälfte aller Waren und Dienstleistungen die Grenzen von Kontinenten. In Europa sind es vor allem Energierohstoffe und Mineralien, die importiert werden müssen. Diese sind auch für China ein wichtiges Importgut. Nordamerika ist bei den Grundmetallen stark von anderen abhängig. Lateinamerika bei Elektronik.