Nun ist, was nicht sein durfte. Aber was kommt (noch)?
Der Ketchup quillt aus der Flasche. Die Inflation, die so gut wie kein Bank-Profi vorhersah – FUCHS schon! –und viele erst sehr spät wahrgenommen haben, spritzt uns gerade mitten ins Gesicht. 7,9% in USA im Februar, über 8% dürften es im März sein, 7,3% in Deutschland im März, 9,8% in Spanien. Die Eurozone insgesamt muss mit +7,7% höheren Preisen im Vergleich zum März 2021 rechnen. Damit ist die Geldentwertung in eine neue Gangart übergewechselt: Sie trabt. Es bewahrheiten sich alte Regeln: Wenn ein Trend erstmal angelaufen ist, lässt er sich so leicht nicht beenden. Und Murphys Gesetz gilt auch: Was schiefgehen kann, geht schief.
Nun mag der Ukraine-Krieg ein schwarzer oder grauer Schwan gewesen sein, ein Ereignis, mit dem nur wenige ernsthaft gerechnet haben. Dennoch: Dafür, dass sich Inflation angestaut hat und entladen konnte, sind die Notenbanken verantwortlich. Die Politik des superleichten Geldes, der aufgeschwemmten Geldmengen und die zögerliche Reaktion insbesondere der EZB war eine zentrale Voraussetzung für den enormen Preisanstieg jetzt.
EZB-Rat: Rettungsteam für Staatsfinanzen
Peinlich ist dies insbesondere für das deutsche Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel. Sie wollte mit guter Kommunikation die deutsche Öffentlichkeit von der Richtigkeit und Angemessenheit der EZB-Geldpolitik überzeugen. Nun wird überdeutlich: Sie hat vor allem Propaganda betrieben. Die Analysen und Prognosen der EZB folgen den politischen Vorgaben ihrer Chefin, Christine Lagarde. Sie hat den französischen Stallgeruch auch als Notenbankerin nie abgelegt. Der EZB-Rat entpuppt sich als Rettungsteam für die Staatsfinanzen. Seinen eigentlichen Auftrag, die Geldwertstabilität, hat er nicht vergessen, aber erfolgreich verdrängt. Nun ist, was nicht sein durfte. Aber was kommt (noch)?
Enorme finanzielle Belastungen bleiben
Die Ansicht von FUCHS: Trends dauern in der Regel länger als erwartet. Die Energiepolitik in Europa lässt sich nicht zurückdrehen, auch wenn Russland die Kriegshandlungen gegen die Ukraine beendet und die Welt einen Vertrag zwischen beiden Ländern anerkennen sollte. Energie und Rohstoffe bleiben teuer, steigen möglicherweise weiter (deutlich), Lieferketten bleiben gestört. Im schlimmsten Fall muss die Energie gedrosselt werden, Industriezweige fallen aus. Dann ist eine längere schwere Rezession sicher. Dann würde auch der so robuste Arbeitsmarkt kippen. Und die Soziallasten, ohnehin angespannt durch den immensen Flüchtlingszustrom, den unser Sozialsystem großzügig mit versorgt, dürften ähnlich anspringen wie gerade die Inflationsraten.
Putin mag verblendet sein. Aber man sollte ihn nicht unterschätzen. Er weiß um die Fragilität der westlichen Gesellschaften und ist daher versucht, die Karte Lieferstopp zu spielen. Zumal unser Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ankündigt, 2024 ohnehin ohne Russengas auskommen zu wollen. Warum dann nicht gleich aufs Ganze gehen, mag sich der Kreml-Chef denken.
Konjuntkurerwartungen rauschen nach unten
Die Stimmung in den Chefetagen der Unternehmen ist miserabel. Die ifo-Geschäftserwartungen sind im März abgestürzt. Der Sachverständigenrat sieht für das Zugpferd der europäischen Wirtschaft, Deutschland, gerade noch 1,8% Wachstum in diesem Jahr voraus. So wenig ist das allerdings nicht, denn es handelt sich um eine inflationsbereinigte Zahl. Liegt die jahresdurchschnittlich Inflation bei 6%, steigen die Erlöse nominal um fast 8%.
Die Preisspirale schraubt sich nach oben
Das bedeutet aber auch: Die Unternehmen geben jetzt die hohen Preise an die Verbraucher weiter. Dabei wurde in der aktuellen ifo-Umfrage ein neuer Höchstwert von 54,6 Punkten erreicht, nach 47,6 im Februar. Vor allem in den konsumnahen Branchen müssen die Menschen mit stark steigenden Preisen rechnen. Im Nahrungsmittel-Einzelhandel sind die Preiserwartungen auf 94,0 Punkte gestiegen, im übrigen Einzelhandel auf 68,2 Punkte und bei den konsumnahen Dienstleistern auf 64,0 Punkte.
Die Arbeitnehmer erleiden laufend deutliche Kaufkraftverluste und die Löhne halten nicht annähernd mit den Preissteigerungen mit. Glaubt wirklich noch jemand, dass die Gewerkschaften die Füße da still halten (können)? Zumal auch die Renten um rund 6% steigen? Und der Finanzminister mit einem rekordverschuldeten Haushalt ordentlich Geld nachpumpt, das natürlich auch ein Stück weit preistreibend wirkt (Mitnahmeeffekte)? Wir sind in der Spirale …
Sand im Export-Getriebe
Der Motor der deutschen Wirtschaft, die Exporte, hat mächtig Sand im Getriebe. Die ifo Exporterwartungen sind im März auf minus 2,3 Punkte abgestürzt, von 17,0 Punkten im Februar. „Der Zuwachs der Exporte wird sich merklich verlangsamen“ erwartet ifo. Da die Kaufkraft der Verbraucher um rund 2% sinken wird, wird auch ihre Kauflust zurückgehen. Das wird den privaten Konsum anhaltend dämpfen.
Die Schlussfolgerungen der FUCHS-DEVISEN-Redaktion:
- Die Inflation steigt noch weiter. Wir werden mit etwas Pech noch zweistellige Raten in diesem Jahr sehen.
- Europas Wachstum bleibt „energetisch belastet" und relativ schwach; eine europaweite Rezession sehen wir aber nicht. Die stark belastete Stimmung unter den Unternehmen dürfte sich schnell und stark aufhellen, wenn Russland und die Ukraine zu einem tragfähigen Kompromiss und vertrag gelangen.
- Die US-Notenbank wird die Zinsen weiter anziehen. Sie liegt wie die EZB „hinter der Kurve“ – nur nicht ganz so weit. Sollte die Inflation weiter so kräftig steigen, wird sie eine kurze Rezession (2 Quartal unter 0) in Kauf nehmen.
- Die EZB will nicht nur nicht handeln, sie kann auch nicht. Die Haushalte Italiens, Griechenlands sind eine Schwersthypothek, die nun von der gesamten Eurozone abbezahlt werden muss. Die Währung heißt Vertrauen in die Geldpolitik, das Stück für Stück verloren geht. Bei einer zweistelligen Inflationsrate wäre die kritische Schwelle überschritten, das öffentliche Gewitter würde sich spätestens dann entladen. Es besteht das Risiko, dass der EZB-Rat die Notbremse ziehen und die Zinsen mit einem Schlag kräftig nach oben setzen muss – allen haushälterischen Risiken zum Trotz.
- Sollte sich aber auch China zu einer militärischen Annexion Taiwans entschließen, wird der laufende Einbruch noch heftiger. Wir taxen die Wahrscheinlichkeit auf unter 30%. Apropos China: Null-Covid belastet dort weiterhin Wirtschaft und Wachstum.
- Die Blockbildung der Autokraten und Demokraten hemmt den Welthandel.
- Es bleibt dennoch bei einem erheblichen Erholungspotenzial für die Weltwirtschaft, wenn sich Bremsen lösen, zumindest für einen Zeitraum von 6 Monaten.
FD halten weitgehend an Jahresanfangsprognose fest
Folge: Wir halten an unserer Prognose vom Jahresbeginn weitgehend fest. Den Euro sehen wir gegen alle wichtigen Währungen anhaltend schwach. Erst mit Blick auf das erste Quartal 2023 könnten sich Hoffnungsschimmer zeigen, die sich dann in den Wechselkursen niederschlagen.
- Zum Dollar kommt es weiter zu kräftigen Ausschlägen, je nach politischer Nachrichtenlage. Der Status als sicherer Hafen gilt weiterhin, für den Euro immer weniger. Der Euro könnte auch noch mal Richtung Parität zum Dollar laufen.
- Zum Franken erwarten wir das sogar. Die schweizerische Notenbank dürfte sogar noch vor der EZB handeln und die Zinsen erhöhen. Die Unternehmen in der Schweiz sind robust aufgestellt und müssen den knallharten Wechselkurs des Franken erst einmal nicht fürchten. Daher sehen wir den Franken Pari zumindest zeitweise unterschreiten.
- Zum Pfund, das der Situation in Europa nicht entfliehen kann, dürfte sich der Euro am ehesten erholen. Allerdings ist auch die britische Wirtschaft robuster als von vielen erwartet worden war. Kurse über 0,90 sind auf Jahressicht möglich, aber wenig wahrscheinlich.